3. April 2010

Christus war Porteno


Hoch über einem Meer von Menschen und von Lichtern schwankten sie gestern langsam von der Plaza del Congreso auf die Kathedrale an der Plaza de Mayo zu, der Gekreuzigte und Maria die Schmerzensreiche. 40.000 Gläubige waren zur Karfreitagsprozession zusammengeströmt. Keine Piquete brachte wohl je solche Menschenmassen auf die Beine. Weihbischof Eduardo García vom portensischen Klerus hattte den Ton angegeben mit seiner kurzen Predigt zu Beginn, in der er der Obdachlosen, der bettelnden Kinder und der blutjungen Prostituierten an den Bahnhöfen gedachte. Auch für sie gab er das Gebet vor, das als vielstimmiger Chor die Prozesson begleitete. Wir müssen wiedergeboren werden. Immer dringlicher mahnt die Kirche bei der Regierung an, in der Armutsbekämpfung ihren Lippenbekenntnissen Taten folgen zu lassen.

Schon Stunden vorher sammelten sich die Ersten vor der Tribüne unterhalb meines Fensters auf dem Kongressplatz. Händler gingen durch die Reihen, velas, velas, Kerzen priesen sie ihre Ware an. Andere verkauften kandierte Erdnüsse, Empanadas und Armbänder mit kleinem Holzkreuz. Ein rundlicher Alter war am besten im Geschäft. Vor seinem Bauch eine Münzkasse, wie sie früher die Straßenbahnschaffner trugen, hielt er ein Bündel blauweißer Bänder hoch. Argentina Jesus Te Ama konnte man bald an vielen Stirnen lesen.

Umringt von Fernsehkameras und Kindern, die sich durch die Absperrung gemogelt hatten, stand Jesus in Fleisch und Blut auf der Bühne, die mit den Logos der Sponsorenfirmen aufwartete, wusch seinen Jüngern die Füße und bekehrte den Pharisäer Nicodemus. Nach solch sinnlich-greifbarer Einstimmung setzte sich der Zug langsam in Bewegung und folgte einem ellenlagen Holzkreuz, das ein Dutzend Männer in ihrer Mitte trugen, und der Christusstatue auf ihrem Kreuzweg.


Die Semana Santa ist einer der Höhepunkte im argentinischen Festkalender. So waren die Hotels in Lujan, dem bedeutendsten Pilgerort, mit seiner Madonna von Lujan, der argentinischen Schutzheiligen, sowie in Tandil und Gualeguaychú mit ihren farbenprächtigen Prozessionen schon lange ausgebucht.

Praktischen Rat wusste ihren Lesern fürsorglich die Zeitung La Nación zu spenden. Man solle vorm Fischessen genau prüfen, ob der Fisch auch frisch sein. Kein unnützer Rat, kommt es doch alljährlich in der Karwoche bei den völlig auf Fleisch programmierten Argentiniern zu Fischvergiftungen.


Foto der Prozession: La Nacion, 3.4.2010

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