11. November 2011

Selective perception Singapore style



Glitzy Singapore makes you happy as long as you don´t ask too many questions. You shouldn´t ask "What have Ai Wei Wei and Chee Soon Juan in common?", for example. These days the two government-approved English language newspapers are commenting at length on the way China tries to silence dissident artist Ai WeiWei by prosecuting him with accusations of tax fraud. He has been jailed and may have to face bankruptcy.




This pattern rings a bell with the critical observer of politics in sanitized Singapore. The same fate endured opposition politician J.B. Jeyaretnam and Chee Soon Juan in Singapore during the 80ies and the 90ies, the latter until now. He was declared bankrupt in 2006 which bars him from candidating for Parliament. Although the government claims that things have changed, freedom of expression is still alien to Singapore.


In October the Liberal International awarded Chee Soon Juan the 2011 LI Prize for Freedom. He shares this privilege with eminent freedom fighters like Aung San Suu Kyi and Vaclav Havel. Singaporeans are eager to be the best in all fields. The smallest recognition is dealt with in the media. To risk your life, your health and your career for freedom seems to be excluded. None of the Singaporean media mentioned the award. As a Singaporean you better excel in less risky fields like sports or entertainment to become the news of the day.


Photo: www.sdp.org (Singapore Democrats), 25 October 2011

18. Juni 2011

Wohlfeile Entrüstung

Die Zeitungen, zu denen ich im Augenblick Zugang habe, singapurische, amerikanische und englische, überbieten sich fast täglich in entrüsteten und detailreichen Ergüssen über die jüngsten sexuellen Enthüllungen aus dem Leben von Politikern. Die deutschen Medien werden, so fürchte ich, kaum zurückstehen.

Was geht das eigentlich alles die Öffentlichkeit an? Solange es nicht um kriminelle Handlungen geht, sollte ihr Sexleben auch bei Politikern Privatsache sein. Mit unser aller Gier nach Enthüllungen, mit der exhibitionistischen Lust, die intimsten Details öffentlich bekannt zu machen und unserer Genugtuung, die besseren Menschen zu sein, fördern nicht nur die Medien, sondern auch wir Leser eine bedenkliche Heuchelei, die niemandem gut tut. Wir wissen auch alle schon genau wie es in Dominique Strauss-Kahns Zuhause aussieht, was er in jeder denkbaren Minute der letzten Wochen getan und gesagt hat und vor allem, dass er schuldig ist. Gerne übersehen wir in unserem Zorn der Gerechten, dass es bisher noch kein Urteil gibt, nicht einmal eine Verhandlung. Wäre nicht ein wenig Mäßigung dem Gemeinwesen förderlicher, Mäßigung unserer Sensationsgier und unserer Selbstgerechtigkeit?

20. Mai 2011

Peron in Brunei




Was macht der alte caudillo im ölreichen Sultanat an Borneos Küste? Nun, er ist so berühmt, dass er es bis in die Borneo Post gebracht hat. Als ich dort am südchinesischen Meer die Zeitung aufschlug, lächelte mir Evita globalisiert und vielsagend entgegen. Daneben ihr militärisch straffer Gatte. Die Zeitung des Minireichs von Sultan Hassanal Bolkiah hatte einem Korrespondenten aus dem argentinischen Atlantikstädtchen La Plata, aus dem die schönste aller Präsidentinnen stammt, eine ganze Seite eingeräumt. Zu berichten war von der jüngsten Welle im Peron-Boom in Argentinien.


Peron ist, glaubt man dem Verfasser, der politischen Sphäre inzwischen entrückt und zu den Rängen einer Ikone vom Schlage Ché Guevarras oder Carlos Gardels aufgerückt. Ein neues Restaurant hat sich ganz dem Peron-Kult verschrieben, die Peron Peron Bar in La Plata. Nicht nur ist der Gast von markigen Peron-Postern umgeben, er kann auch den Wein Justitialista, nach Perons Partei benannt, ordern und im Peron-Laden stöbern. Dass Evita eine Heilige ist, wussten wir ja schon, nun auch der General. Die Wunder und die Gläubigen sterben in Argentinien nicht aus.



Wem das zu gestrig ist, der kann heuer mitten in Buenos Aires, an der Avenida 9 de Julio in den Turm von Babel klettern. Rechtzeitig zur Ernennung von Buenos Aires als diesjährige Stadt des Buches hat Marta Minujin, die poppige Aktionskünstlerin vom Dienst, aus 30.000 Büchern eine begehbare - fast - Endlosschleife aufgebaut und damit gleich noch an Borges' Weltbibliothek als Labyrinth erinnert. Jedem das Seine in dieser chaotischen, widersprüchlichen, kreativen Megalopolis.


Foto Peron Pero Restaurant und Bar: The Borneo Post, Bandar Seri Bagawan, 20.4.2011


Foto Turm von Babel: The Straits Times Singapore, 14.5.2011




















7. April 2011

Hat Ihre Urgrossmutter schon ein I-Pad?


Nein? Dann wird es aber höchste Zeit, wenn Sie mit den asiatischen Trendsettern mithalten wollen. In Singapore und Kuala Lumpur gehen in diesen Tagen die I-Pads aus. Die Geschäfte werden gestürmt. Denn es ist Qing Ming, das Fest der Ahnenverehrung, und da lässt sich ein gläubiger Chinese nicht lumpen. Die Ahnen wollen es im After Life schließlich ebenso komfortabel haben wie ihre Nachkommen im Hier und Jetzt.

So zieht die ganze Familie noch bis Sonntag auf den Friedhof und bringt den Ahnen Gaben dar. Wer kein I-Pad mehr ergattern konnte, muss mit einer Louis Vuitton-Tasche vorliebnehmen oder mit einer schmucken Villa nebst Swimmingpool. Auch ein Mercedes oder BMW wird gern gesehen. Hat man alles den Ahnen auf die Gräber gelegt, um sie günstig zu stimmen, dann werden die guten Gaben verbrannt. Welch ein Jammer um all den Luxus, werden sie ausrufen. Aber keine Sorge, alles ist nur aus Papier. Seit Wochen haben die Hersteller und Verkäufer von Papiernachbildungen all der guten Dinge, die das Leben dort und hier angenehm machen, Hochkunjunktur. Und die Ahnen sind heutzutage eben auch markenbewusst und wollen technologisch mit der Zeit gehen. Wer könnte es ihnen verdenken, spielen ihre Nachkommen doch am liebsten mit ihrem Smartphone oder I-Pad.

Foto: The Straits Times vom 7.4.2011

27. März 2011

Radikal subjektiv - Clarice Lispector

Ihre Katzenaugen lassen den Betrachter nicht los. Sehen ist der Wahnsinn des Körpers steht quer über dem transparenten Großfoto, das den Besucher durch alle Räume der imposanten Ausstellungshallen in der Banco do Brasil von Rio de Janeiro begleitet. Clarice Lispector, die 1977 verstorbene grande dame der modernen brasilianischen Literatur, wird 30 Jahre nach ihrem Tod in einer üppigen Schau ihrer Werke und ihres Lebens gefeiert. Mit ihren Kirgisenaugen ist die Tochter russischer Juden aus der heutigen Ukraine äußerlich eine Tochter Clawdia Chauchats, als hätte sie Thomas Mann Modell gestanden. Ihre Schönheit war legendär. Doch nichts von der Vagheit und trägen Sinnlichkeit der Verfüherin im Zauberberg war ihr eigen. Acht Romane und neun Erzählungsbände, neben Gedichten, Kinderbüchern und journalistischen Arbeiten, sind Zeugnis iher lebenslangen, bohrenden Selbst- und Welterforschung. Sie lebte, um zu schreiben, bringt Gunhild Kübler es in einem Sammelband von Schriftstellerinnen-Biograpien, der 2009 erschien, auf den Punkt. Umgekehrt wird es ebenso wahr. Sie schrieb, um zu leben. Schreiben ist auch, so Clarice, ein Leben zu segnen, das nicht gesegnet wurde...


Mehr über diese faszinierende Autorin und meine erstmals in Deutschland erschienene und ins Deutsche übertragene Textauswahl ihrer Cronicas für die Zeitung Jornal do Brasil lesen Sie in: http://www.die-horen.de/, Heft 240, S.179-196 , Foto: Copyright Editora Rocco

18. März 2011

Viel deutsches Heu in Singapur


Vor einigen Tagen feierte Singapur die Eröffnung seiner zweimonatigen Kunst-Biennale mit Werken von 50 heimischen und internationalen Künstlern an vier Standorten der Stadt. Viele Objekte sind Auftragsarbeiten des wohlhabenden Stadtstaats, so auch die Installation des dänisch-norwegischen Duos Michael Elgreen und Ingar Dragset. In einen Hangar des alten Flughafens im Singaporer Stadtteil Kallang stellten die beiden eine deutsche Scheune komplett mit rotem Tor und Hirschgeweih darüber, wie aus Grimms Märchen. Drinnen ist fast bis zur Decke Heu aufgestapelt, auf und in dem sich die Besucher tummeln können. Am besten bringen sie ihre Lederhose mit. Nicht vergessen wurde ein Bord mit bayrischen Bierseideln. Die Raktionen der Besucher, wie sie in der Zeitung The Straits Times treulich rapportiert werden, schwanken zwischen belustigt und befremdet. Angesichts des schwarz-weißen Fachwerks der Scheune ging einem klugen Kopf ein Licht auf. Nun verstehe er, warum Singapurs schwarz-weiße Villen aus der britischen Kolonialzeit bei expats so beliebt seien. So schafft die moderne Kunst mühelos,was Singapur mangels eines örtlichen Oktoberfests bisher versagt blieb: einen differenzierten Einblick in das Deutschland von heute zu vermitteln. Lang lebe das Klischee und seine geschäftstüchtigen Vermarkter! Ein anderes eigens zur Biennale errichtetes Gebäude kommt witziger daher. Die japanische Künstlerin Tatzu Nishi hat das Wahrzeichen der Stadt, den Merlion, der oben Löwe ist und unten herum wie die kleine Seejungfrau einen Fischschwanz trägt, mit einem Kubus umbaut, der innen als Hotelzimmer ausgestattet ist. Nun kann man während zwei Monaten dicht beim Fischlöwen wohnen, und der selbst schaut für diesmal aus einem gepflegten Apartment aufs südchinesische Meer.


Fotos: German Barn: The Straits Times, Today / Hotel Merlion: Ausstellungskatalog

17. März 2011

Literatur aus Singapur - Nachrichten von der Insel

Singapur hat keine Lesekultur, klagt Wayne Chou. Der Chef der Buchhandelskette Popular muss es wissen. Er richtet das jährliche BookFest aus, zusammen mit der China Publishing Group aus Mainland China, das man umwirbt, sind doch 75% der Singapurer in den letzten 200 Jahren von dort zugewandert. Die Messehalle ist gerappelt voll und scheint Chou zu widerlegen. Ganz so schlimm kann es um die Leselust nicht bestellt sein. Davon zeugen nicht nur die Buchhandlsketten mit ihren Verkaufsflächen in glitzernden Einkaufszentren. Auch einige kleinere Buchläden mit ambitioniertem Programm können in dem fünf Millionen Einwohner zählenden Inselstaat überleben. Managerin Sheela ist nach den ersten Monaten ihres Ladens Littered With Books mit dem Verkauf zufrieden. Ihre Bücherstube in einem alten chinesischen Shophouse lädt zum Schmökern ein.
Schmal sind überall die Regale mit Literatur aus Singapur. Die Verkehrssprache der früheren britischen Kolonie ist Englisch, das sich gesprochen mit den chinesischen Dialekten der Einwanderer und dem Malaiisch der örtlichen Minderheit zum Singlish verbindet. So wird der Buchmarkt von anglo-amerikanischer Literatur beherrscht. Doch gibt es eine lebendige lokale Literaturszene in englischer Sprache. Sie wird staatlich gefördert. Im kompetitiven öffentlichen Leben Singapurs ist es für die Autoren nicht leicht, sich eine kritische Stimme zu bewahren. Vor allem Kurzgeschichte und Drama haben aber ihren Platz als eigenständige literarische Ausdrucksformen in Singapur gefunden....
Lesen Sie mehr über Novelle, Satire, Krimi und Co. von der asiatischen Insel unter http://www.litprom.de/literaturnachrichten.html , Nr. 108, S.37.
Foto: Littered With Books

31. Januar 2011

Glück und Geld auf Chinesisch

Pünktlich zum Neuen Jahr melde ich mich zurück - zum Chinese New Year, mit der Liebe zu Abkürzungen in Singapur kurz CNY genannt. Für Chinesen hat Glück nicht zuletzt mit Wohlstand und Geld zu tun. Deshalb kommt der Gott des Good Fortune und bringt Goldenes. Die Form erinnert an kleine Schüsseln mit eim Berg Reis darin und ist alten chinesischen Goldstücken, den yuan bao, nachempfunden. Man schenkt einander hong bao, rote Tütchen mit Münzen und hängt rote Papierdekorationen ins Haus, mit den Schriftzeichen fu und chun für Glück und Frühling, ist es doch auch ein Frühlingsfest, selbst im tropischen Singapur. Die Stadt ist seit Wochen in Rot und Gold getaucht, überall hängen rote Lampions und alle Einkaufszentren - hier auch so etwas wie Kulturträger - überbieten sich in Events für CNY, von der Tanzgruppe aus China über Vorführungen von martial arts bis zu Geschichten rund um den Hasen, der im chinesischen Zodiac das kommende Mondjahr bestimmt. Üppige Festmahle werden fürs Neujahrsdinner mit der Familie angeboten, auf denen die Abalonemuschel nicht fehlen darf, kein Wunder, dass sie weltweit überfischt, bedroht und entsprechend teuer ist.

Höhepunkt sind aber die Umzüge am Vorabend in Chinatown und vor allem der Löwentanz. Dafür proben die chinesischen Clan-Gesellschaften seit Wochen. Und auch das altmodische Geschäft des Löwenkostüm-Herstellers ist noch nicht ausgestorben. Meister Henry NG hat Saison. Wenn es auch weniger wird. Vor Jahrzehnten machte er noch 100 Kostüme auf Bestellung, heute nur noch 30 bis 40. In den Löwen schlüpfen dann zwei bis drei trainierte junge Männer und lassen ihn durch die Straßen tanzen, hoffnugsvoll ins Neue Jahr.

Mit Fifi Lapin, der Modberaterin der Saison im shopping- und modeverrückten Singapur schaue ich in meinen Kleiderschrank, was ich denn zum festlichen Neujahrsdinner bei chinesischen Freunden tragen könnte. Eines ist klar, es darf nicht die sonst so beliebte Farbe schwarz haben, das bringt Unglück. Etwas Rotes sollte es sein. Und ich werde Orangen mitbringen, denn die sind golden und verheißen Wohlstand, aber nicht drei oder sieben, eine gerade Zahl muss es sein, sonst... Sie raten es, es geschähe ein Unglück. Sollte ich mir zu diesem Anlass vielleicht ein neues Auto zulegen? VW, nicht faul, nutzt die Gelegenheit und bringt eine limitierte Serie seines Golfs heraus: Golf Rabbit, natürlich rot. Ob das weiße Kaninchen im Rückfenster mitgeliefert wird? Da verwundet es nicht, dass 2010 deutsche Autos erstmals die japanischen überholt haben und die meistverkauften Autos in Singapur sind.

Foto von Henry Ng: The Straits Times 15.1.2011, Foto: Lau Fook Kong
Foto VW: www.golfrabbit.com.sg