27. März 2011

Radikal subjektiv - Clarice Lispector

Ihre Katzenaugen lassen den Betrachter nicht los. Sehen ist der Wahnsinn des Körpers steht quer über dem transparenten Großfoto, das den Besucher durch alle Räume der imposanten Ausstellungshallen in der Banco do Brasil von Rio de Janeiro begleitet. Clarice Lispector, die 1977 verstorbene grande dame der modernen brasilianischen Literatur, wird 30 Jahre nach ihrem Tod in einer üppigen Schau ihrer Werke und ihres Lebens gefeiert. Mit ihren Kirgisenaugen ist die Tochter russischer Juden aus der heutigen Ukraine äußerlich eine Tochter Clawdia Chauchats, als hätte sie Thomas Mann Modell gestanden. Ihre Schönheit war legendär. Doch nichts von der Vagheit und trägen Sinnlichkeit der Verfüherin im Zauberberg war ihr eigen. Acht Romane und neun Erzählungsbände, neben Gedichten, Kinderbüchern und journalistischen Arbeiten, sind Zeugnis iher lebenslangen, bohrenden Selbst- und Welterforschung. Sie lebte, um zu schreiben, bringt Gunhild Kübler es in einem Sammelband von Schriftstellerinnen-Biograpien, der 2009 erschien, auf den Punkt. Umgekehrt wird es ebenso wahr. Sie schrieb, um zu leben. Schreiben ist auch, so Clarice, ein Leben zu segnen, das nicht gesegnet wurde...


Mehr über diese faszinierende Autorin und meine erstmals in Deutschland erschienene und ins Deutsche übertragene Textauswahl ihrer Cronicas für die Zeitung Jornal do Brasil lesen Sie in: http://www.die-horen.de/, Heft 240, S.179-196 , Foto: Copyright Editora Rocco

18. März 2011

Viel deutsches Heu in Singapur


Vor einigen Tagen feierte Singapur die Eröffnung seiner zweimonatigen Kunst-Biennale mit Werken von 50 heimischen und internationalen Künstlern an vier Standorten der Stadt. Viele Objekte sind Auftragsarbeiten des wohlhabenden Stadtstaats, so auch die Installation des dänisch-norwegischen Duos Michael Elgreen und Ingar Dragset. In einen Hangar des alten Flughafens im Singaporer Stadtteil Kallang stellten die beiden eine deutsche Scheune komplett mit rotem Tor und Hirschgeweih darüber, wie aus Grimms Märchen. Drinnen ist fast bis zur Decke Heu aufgestapelt, auf und in dem sich die Besucher tummeln können. Am besten bringen sie ihre Lederhose mit. Nicht vergessen wurde ein Bord mit bayrischen Bierseideln. Die Raktionen der Besucher, wie sie in der Zeitung The Straits Times treulich rapportiert werden, schwanken zwischen belustigt und befremdet. Angesichts des schwarz-weißen Fachwerks der Scheune ging einem klugen Kopf ein Licht auf. Nun verstehe er, warum Singapurs schwarz-weiße Villen aus der britischen Kolonialzeit bei expats so beliebt seien. So schafft die moderne Kunst mühelos,was Singapur mangels eines örtlichen Oktoberfests bisher versagt blieb: einen differenzierten Einblick in das Deutschland von heute zu vermitteln. Lang lebe das Klischee und seine geschäftstüchtigen Vermarkter! Ein anderes eigens zur Biennale errichtetes Gebäude kommt witziger daher. Die japanische Künstlerin Tatzu Nishi hat das Wahrzeichen der Stadt, den Merlion, der oben Löwe ist und unten herum wie die kleine Seejungfrau einen Fischschwanz trägt, mit einem Kubus umbaut, der innen als Hotelzimmer ausgestattet ist. Nun kann man während zwei Monaten dicht beim Fischlöwen wohnen, und der selbst schaut für diesmal aus einem gepflegten Apartment aufs südchinesische Meer.


Fotos: German Barn: The Straits Times, Today / Hotel Merlion: Ausstellungskatalog

17. März 2011

Literatur aus Singapur - Nachrichten von der Insel

Singapur hat keine Lesekultur, klagt Wayne Chou. Der Chef der Buchhandelskette Popular muss es wissen. Er richtet das jährliche BookFest aus, zusammen mit der China Publishing Group aus Mainland China, das man umwirbt, sind doch 75% der Singapurer in den letzten 200 Jahren von dort zugewandert. Die Messehalle ist gerappelt voll und scheint Chou zu widerlegen. Ganz so schlimm kann es um die Leselust nicht bestellt sein. Davon zeugen nicht nur die Buchhandlsketten mit ihren Verkaufsflächen in glitzernden Einkaufszentren. Auch einige kleinere Buchläden mit ambitioniertem Programm können in dem fünf Millionen Einwohner zählenden Inselstaat überleben. Managerin Sheela ist nach den ersten Monaten ihres Ladens Littered With Books mit dem Verkauf zufrieden. Ihre Bücherstube in einem alten chinesischen Shophouse lädt zum Schmökern ein.
Schmal sind überall die Regale mit Literatur aus Singapur. Die Verkehrssprache der früheren britischen Kolonie ist Englisch, das sich gesprochen mit den chinesischen Dialekten der Einwanderer und dem Malaiisch der örtlichen Minderheit zum Singlish verbindet. So wird der Buchmarkt von anglo-amerikanischer Literatur beherrscht. Doch gibt es eine lebendige lokale Literaturszene in englischer Sprache. Sie wird staatlich gefördert. Im kompetitiven öffentlichen Leben Singapurs ist es für die Autoren nicht leicht, sich eine kritische Stimme zu bewahren. Vor allem Kurzgeschichte und Drama haben aber ihren Platz als eigenständige literarische Ausdrucksformen in Singapur gefunden....
Lesen Sie mehr über Novelle, Satire, Krimi und Co. von der asiatischen Insel unter http://www.litprom.de/literaturnachrichten.html , Nr. 108, S.37.
Foto: Littered With Books