24. Dezember 2009

Maria und Josef bei den Argentiniern II

Die Freunde der Avenida de Mayo machten es möglich. Zwei Tage vor Heiligabend wurde das Endlosband abgestellt, und junge Tänzer in den farbenprächtigen Kostümen der Anden, die Jungen mit Indiomütze und Poncho, die Mädchen mit knallbunten weiten Röcken und handgewebten Umhängen, tanzten an "meinem" Platz vor der Krippe. Eine schöne junge Maria im himmelblauen Mantel ging mit ihrem Josef im Beduinenlook und dem Kind still durch die Menge der Tänzer und Zuschauer. Der Monsignor hielt eine Ansprache, dass wir diesen Abend alle in unserem corazon, unserem Herzen, bewahren sollten und segnete drei frischvermählte Ehepaare im Angesicht des heiligen Paars vor der Krippe. Dann wurde es lustig. Der Sänger Zamba Quipildor sang Weihnachstweisen, deren Melodien der rhythmusbetonten argentinischen Folkloremusik entlehnt waren, und die Band ließ die Trommeln wirbeln. Im Hintergrund hatte die Avenida de Mayo ihre weihnachtlichen Lichtervorhänge aufgehängt.

Urahne, Mutter und Kind aus der Nachbarschaft dieses Traditionsviertels hatten sich versammelt. So auch meine Nachbarin Susana mit Enkel Santiago. Nach Weihnachten wird sie mit der ganzen Sippe in das Haus der Eltern nach Cordoba, dem argentinischen natürlich, aufbrechen. Sie werden wohl einen Kleinbus brauchen, denn nur die engere Familie bringt 18 Reisende zusammen. Argentinier haben vorerst keine Nachwuchssorgen.

21. Dezember 2009

Argentinien - "Land der Ideen"

Die Traditionszeitung La Nacion wird 140 Jahre. Da will sie zeigen, was Argentinier alles Großartiges zu Wege gebracht haben. 140 Ideen und die Menschen, die dahinter stecken, werden porträtiert. Soviel zusammen zubringen, ist sicher nicht einfach. So finden sich neben beachtlichen Einträgen recht belanglose und andere deren stolze Aufzählung nicht unfreiwilliger Komik entbehrt. Eines ist sicher. Die Argentinier haben ihn nicht erfunden, aber sie sind unbestreitbare Weltmeister in dem eleganten Sport der Besserbetuchten, im Polo. Auch den Tango kann ihnen wohl niemand streitig machen – außer Uruguay, das ihn mit erfunden hat und von der UNESCO ebenfalls das Gütesiegel als Heimat des Tangos bekam.

Das dickleibige Sonderheft von La Nacion schweigt sich leider über einige andere Ideen und Phänomene aus, die Argentinier entweder erfunden oder zu Meisterschaft gebracht haben: den unseligen Peronismus mit seiner weltlichen Heiligen Sancta Evita, die cola, das unnötige Schlangestehen bei jeder Gelegenheit und die coima, die Verfeinerung der Weisheit, dass eine Hand die andere wäscht, um nur die auffallendsten „Ideen“ dieser Art zu nennen. Ein Fremder könnte geneigt sein, sie Missstände zu nennen.

Coverbild: La Nacion, 17.12.2009

Maria und Josef bei den Argentiniern I

Von drei Wochen aus den windigen Weiten Patagoniens und Feuerlands zurück, empfängt mich die vertraute Geräuschkulisse an meiner auch akustisch so strategischen Ecke zwischen Avenida de Mayo und Plaza del Congreso. Jetzt in der Adventszeit ist sie um eine neue Komponente bereichert. In diesem Jahr hat sich die Diözese von Buenos Aires etwas Besonderes ausgedacht. Auf dem Platz wurde eine Krippe mit lebensgroßen Figuren aufgebaut. Kamele, Palmen, die Weisen und der Stall mit Christuskind nebst Elternpaar, alles ist versammelt.

Auch die Kirche muss in der überbordenden Geräuschkulisse des Zentrums kräftig klappern. So genieße ich nun schon seit Sonntag von nachmittags bis in die Nachtstunden eine Folge von Predigt, Weihnachtsgeschichte und lateinamerikanisch munteren Weihnachtsliedern aus der Konserve. Das Christkind ist sicher auch Porteno und ruht nicht vor Mitternacht Das Band wiederholt sich etwa alle 15 Minuten. Für die Anwohner ein echter Härtetest, für die Passanten und die Kinder auf dem Spielplatz gleich hinter der Krippe die reine Wonne. Abends ist die Krippe purpur-lila illuminiert. Um die bengalische Beleuchtung würde so manche Tangobar wohl die heilige Familie beneiden. Mit akustischen und optischen Effekten wird nicht gespart, alles im Dienste des Höheren und seiner irdischen Amtswalter.