10. Juli 2010

Viva la Patria!

Dieses Jahr kommen wir Portenos aus dem Festestrubel gar nicht mehr heraus. Kaum sind die gigantischen Fest-Spiele zum 25. Mai 1810 vorbei und die fast ebenso pompöpsen Feiern zum Día de la Bandera in Rosario, da naht schon der Día de la Independencia. Am 9. Juli 1816 hat die erste Nationalversammlung Argentiniens in der Andenstadt San Miguel de Tucumán die Unabhängigkeitserklärung unterzeichnet. Präsidentin Cristina Kirchner nebst Gatten ist eigens nach Tucumán gereist und hat sich zu diesem Anlass die den Franzosen seinerzeit abgeguckte rote Revolutionsmütze aufgesetzt. Sie liebt ohnehin die bedeutungsträchtige Kostümierung. Zu einer Arbeiterdemonstration in Paris war sie in passender Schirmmütze erschienen, natürlich in kleidsamer Designerversion.

Ohne präsidentiellen Glanz, aber hochgestimmt und fröhlich fand das kleine Fest in Buenos Aires statt. Wiedereinmal sass ich in der Loge, denn alles spielte sich an der Ecke von Avendia de Mayo und Plaza del Congreso ab, der eigentlich Plaza de los dos Congresos heißt, um an das erste Parlament in Tucumán zu erinnern. Hier im barrio wurde gleich doppelt gefeiert, denn die Avendia de Mayo in ihrer heutigen Gestalt wurde 116 Jahre alt. So hatten die Freunde der Avenida de Mayo geladen, war Stadtkultursekretär Hernán Lombardi erschienen, dankte ein Geistlicher der Heiligen Jungfrau und wurde die albiceleste, die Flagge, feierlich aufgezogen. Dann hatten die Folkloretänze aus der Provinz Santiago del Estéro die Bühne und tanzten in ihren malerischen Kostümen eine Chacarena und Salsa nach der anderen bis in die späten Nachmittagsstunden dieses klaren, sonnigen Wintertags. Die Caballeros in ihren Pluderhosen, den hochhackigen Stiefeln , weißen Spitzengamaschen und schwarzen Sombreros, den Poncho über der Schulter und das Messer mit Silberknauf im Gürtel, stahlen den Frauen fast die Schau.

Das Bandoneon klagte und Gitarre und Trommel schlugen den Rhythmus. Der Conferencier versicherte, in Santiago del Estero, der fernen und armen Provinz im Nordwesten, habe man viel Zeit zum Tanzen, heiße die Provinz doch wegen des Brauchs, von Mittag bis fast in den Abend hinein Siesta zu halten, auch Santiago del Descanso, Santiago des Ausruhens. Viva la Patria, viva! Mit viel Tanzfreude und Nationalstolz, aber fernab der aktuellen politischen Streitereien ging dieser portensische Nachmittag zuende.

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