4. Juli 2010

Im Fußballfieber III - Kein Mundial-Effekt für die Politik

Auch für die Regierung ist mit dem Ausscheiden Argentiniens ein Traum ausgeträumt. Bislang hat das regierende Ehepaar Kirchner die Öffentlichkeit Glauben gemacht, dass mit dem erfolgreichen Team auch sie selbst und der Peronismus siegen würden. 50.000 Plakate "Fußball für alle" waren geklebt worden, die den Eindruck erwecken sollten, Fußball im Fernsehen sei eine Sozialleistung. Der Zwischenstopp der Präsidentin in Südafrika auf dem Weg zu einem Staatsbesuch in China war schon geplant. Man zerbrach sich nur noch den Kopf, wie man verhinden konnte, dass daheim in Argentinien der ungeliebte Vizepräsient mit Maradona und seinen Mannen aufs Siegerfoto kam. Die Mundial kam wie gerufen, um ein paar Probleme unter den Teppich zu kehren und den ständigen Machtmissbrauch zu verschleiern. Die Choreographie stand, nur der Sieg blieb aus.

Nun kann die politische Fußball-Dividende nicht eingefahren werden. Man muss sich den Schwierigkeiten wieder direkt zuwenden, zum Beispiel dem Kampf mit dem Parlament um die Verteilung der Haushaltsmittel. Im laufenden Haushaltsjahr werden unglaubliche 35 Milliarden Pesos, das sind rund 7,1 Milliarden Euro, von der Regierung nach eigenem Gutdünken und ohne jegliche Kontrolle des Parlaments ausgegeben. Welches Ministerium, welche Provinz, welche Gemeinde was davon bekommt, entscheidet, je nach dem Wohlverhalten und der Regierungsnähe der Amtsträger, allein Präsidentengatte und Ex-Präsident Nestor Kirchner, der im Hintergrund die Fäden zieht. Dabei handelt es sich um überschüssige Einnahmen. Der reguläre Haushalt pflegt vom Parlament ohne Debatte in toto verabschiedet zu werden.

Mit den Sondervollmachten bei der Vergabe von Haushaltsmitteln will das Parlament nun Schluss machen. Die Regierung hat aber schon ihr Veto zu einem eventuellen Gesetz in dieser Richtung angekündigt. So wird wohl, zumindest bis zur nächsten Präsidentenwahl im November 2011, alles beim Alten bleiben.

Manch einer, der es nicht mit den Kirchners hält, geht sogar soweit, die argentinische Niederlage gegen Deutschland zu begrüssen. Ich wollte unser Team nicht gewinnen sehen, sagte mir ein waschechter Porteno, das hätte nur den Kirchners in die Händen gearbeitet, und den unsäglichen Maradona aufgewertet. Unsere Barabravas konnten nur von den Südafrikanern diszipliniert werden, fügte er resigniert hinzu. Die militanten argentinischen Hooligans, manche davon vorbestraft, hatten sich in Südafrika so ruppig benommen, dass einige ausgewiesen wurden. Pikant wird die Geschichte dadurch, dass etliche in ihrer Heimat sich auch als regierungstreue piqueteros, Demonstranten, 'verdient' gemacht haben.

Die Niederlage im Viertelfinale nehmen sich viele Argentinier als nationale Schmach zu Herzen. Außerhalb der Mundial und... außerhalb der Welt? titelte eine Zeitung, als wieder einmal über die zunehmende politische und wirtschaftliche Isolierung Argentiniens geklagt wurde. In der WM zu verlieren, ist eine Niederlage für den Profisport, nicht für die Nation, konterte der angesehene Wissenschaftler Mario Bunge. Seine langjährige berufliche Tätigkeit in Kanada muss abgefärbt haben. Solche nüchterne Betrachtungsweise findet man in Argentinien selbst selten.

Kariktur Nestor Kirchner neben Maradona und Messi als Fußballer: La Nación 4.7.2010
Karikatur Kampf zwischen Congreso und Regierungspalast Casa Rosada: La Nación, 4.7.2010

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