24. Juli 2010

Calderon: Das Leben ein Traum von Blut, Schweiß und Sperma

In der weitgehend hausgemachten Theaterszene von Buenos Aires gibt es heuer eine Besonderheit. Calderons "Das Leben ein Traum" aus Spaniens Goldenem Zeitalter kam in einer spanischen Inszenierung, mit hiesigen Darstellern, ins Teatro San Martín. Für die Regie zeichnet Calixto Bieito aus Barcelona verantworlich. In Europa bestens bekannt mit Inszenierungen in allen großen Städten von Wagneroper über Brecht zu Shakespeare, brachte Bieito für die eher zahmen Sehgewohnheiten der Portenos einen echten Schocker mit.


Auf der Bühne wurde gefurzt, masturbiert und den Frauen an die Wäsche gegangen, was das Zeug hält. Damit entfernt sich der Regisseur gar nicht so weit vom Barock der Entstehungszeit des Werks. Wie oft ist etwa im Simplizissimus von genüsslichen Furzkannonaden die Rede. Für das Versdrama über Sein und Schein, Zügellosigkeit und Ordnung ist der durchweg klamaukhafte Stil allerdings gewöhnungsbedürftig. Auch die zentrale Sandarena konnte weit weniger überzeugen als einst in Peter Brooks legendärer Pariser (und Hamburger) Carmen-Inszenierung. Das kostensparend karge Bühnenbild wartete außerdem mit einem großen Holzstuhl als Thron, einem Schaukelpferd und einem riesigen Spiegel auf, der schon mal schief hing, wenn die Welt von Calderon noch nicht in Ordnung gebracht worden war. Eine etwas platte Symbolik. Natürlich traten die Mächtigen in zeitgenössischen Militärklamotten auf. Hatten wir das nicht schon oft, zu oft? Grelle Tivoli-Lichterketten über der Bühne und im Zuschauerraum lenkten vom Bühnengeschehen ab und brachten die barocke Botschaft, nach der das Leben ein Theater ist, recht schlicht rüber.

Die gute Textbeherrschung der Schauspieler und ihr geschicktes Lavieren zwischen hohem Verston und beiläufigem Sprechen reichten als Gegengewicht nicht. Furcht und Mitleid blieben aus. Zuviel wurde geschrieen , gerannt und geturnt. Schade.


Szenenphoto aus dem Programmheft




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