28. März 2016

Muslimgeschichten



Muslime leben in Kapstadt seit vielen Jahrhunderten.  Ihre Vorfahren sind Malaien aus der damals holländischen Kolonie Batavia, heute Indonesien. Die Holländisch-Ostindische Compagnie, die das Kap von 1652 bis um 1800 regierte, holte sie als Arbeiter und Handwerker nach Südafrika.  Ihr traditionelles Wohnviertel, das Bo-Kaap oder Oberkap voller niedriger bonbonfarbener Häuser mit verschwiegenen Innenhöfen liegt am Abhang des Signal Hill mitten in der Stadt und bietet von seinen Kopfstein gepflasterten Gassen aus einen herrlichem Rundblick über Stadt, Tafelberg und Bucht.

Hier werden die alten Traditionen des muslimischen Festkalenders hochgehalten. An Maludi, Mohameds Geburtstag, kommen die Frauen zusammen, schneiden rampies, und rezitieren dabie riwaayat, Gedichte zum Lob des Propheten.  Tage vorher schmücken die Frauen ihre Versammlungshalle in der Moschee und backen Kuchen. Das rampie sny ist eine gesellige Angelegenheit. Es bringt uns zusammen, sagt Ramona Latief, die Witwe eines Imams. Das Wort rampie  kommt aus dem Malaiischen, sny ist Afrikaans für Schneiden. So mischen sich asiatiche und holländische Einflüsse noch heute in der Sprache der Muslime des Kaplandes. Die Frauen kleiden sich in ihre traditionellen Trachten, oft extra für diesen Tag geschneidert, sitzen beieinander, schneiden die Blätter des Zitronenbaums in feine Streifen, parfümieren sie und machen daraus kleine Päckchen, die sie den Männern der Gemeinde überreichen, wie ein
Geburtstagsgeschenk für Mohammed.

Das Bo-Kaap in seiner Toplage wird immer mehr von Immobilienentwicklern bedrängt. Die Bewohner kämpfen darum, ihre Häuschen und ihren Lebensstil zu behalten. Im Januar 2016 hat die Stadtverwaltung beschlossen, das Bo-Kaap zum denkmalgeschützten Gebiet zu erklären. Hoffentlich hilft es den Nachkommen der Kapmalaien, ihr ältestes Siedlungsgebiet zu erhalten. Hier ist auch das Grab von Tuan Guru, der im 18. Jahrhundert als erster den Koran aus dem Arabischen. ins Afrikaans übersetzt hat.

Dem anderen historische Wohngebiet freigelassener Sklaven, darunter viele malaiischstämmige Muslime, war eine weniger glückliche Geschichte beschieden. District Six am Südostrand der Innenstadt wurde während der Apartheid geräumt und zum weißen Viertel erklärt. Der Neuaufbau fand nie statt, und auch heute, 50 Jahre danach, ist District Six noch eine Stadtbrache, an deren bunt gemischte Vergangenheit inzwischen ein
Museum erinnert. Altbewohner Shakier Gafieldien, inzwischen 86, erzählt dort vom  Leben im alten District Six. Trevor Manuel, ehemaliger Finanzminister Südafrikas, erinnert sich an festliche Familientreffen bei seiner Großmutter in der Gasse De Kat / Die Katze, bevor die Oma 1967 in ein anderes Stadtviertel umgesiedelt wurde.

Viele der Stadtgebiete, die sogenannten Cape Flats,  in denen alte und neue muslimische Bürger leben, werden von Bandengewalt geschüttelt. Armut, Arbeitslosigkeit, schlechte Schulausbildung sind die Ursachen und Alkohol- und Drogenmissbrauch die Auswirkungen. So ist es nicht verwunderlich, dass einer der vielen Bürgerproteste, die Südafrika derzeit erlebt, sich gegen Gewalt und Verbrechen wendet: #Gangsterismmustfall.  Unter dem Motto Die Banden müssen weg zogen vor allem muslimische Bewohner des Viertels Manenberg im Februar zum Bürgerzentrum ihres Gebiets und gaben ein
Memorandum ab, in dem sie mehr Polizeieinsatz, aber auch für mehr Initiativen für die Jugendentwicklung fordern. Kein Wochenende vergeht ohne Morde, oft geraten selbst Kinder in die Schusslinie rivalisierender Banden.  

Bildnachweise:

Gemeinsam Rampies schneiden, in der Palm Tree Moschee, Long Street: Cape Argus, 10.1.2015 
Der Duft der Geschichte: rampies werden geschnitten und parfümiert: The Argus, 10.1.2015  
Shakier Gafieldien beobachtet einen Gedenkumzug in District Six, Keizergracht: Sunday Times 14.2.2016 
Weg mit den Banden - Protestumzug in Manenberg: Die Burger, 5.2.2016                                                                                                                                                                                                                             

 

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