Kapstädter
müssen mit den täglichen Nachrichten von Überfällen, Bandenschießereien und
anderen Gewalttaten leben. Doch nicht alles ist schwarz-in-schwarz. Um es etwas
biblisch auszudrücken, es gibt sicher mehr gute als böse Taten. Gerade in
Brennpunkten von Bandenkriminalität wie Mitchells Plain, Tafelsig oder Lavender
Hill gibt es Menschen, die nicht wegsehen und die Achseln zucken, sondern
versuchen, Bollwerke gegen Gewalt zu bauen.
Seit
elf Jahren betreibt John Nicholson im Hof
seines Hauses in Lavender Hill eine Bibliothek für die Kinder seiner Gemeinde.
Mit 50 Büchern hat er 2005 angefangen. Inzwischen sind es dank vieler Spenden
5.000. Drei mal die Woche gibt es in
seiner Suppenküche Lunch für 300 hungrige Kinder. Er hat Musikinstrumente
angeschafft und gibt Unterricht. Sein neustes Projekt ist ein Fahrradclub. So
hält John Nicholson Kinder und Jugendliche von der Straße weg und gibt ihnen
eine Chance, normal aufzuwachsen.
Seit
Rushda O’Shea 2010 die Leitung der Tafelsig-Oberschule in Mitchells Plain übernommen
hat, ist der Anteil der erfolgreichen Schulabgänger von 52% auf 86% gestiegen. Ihre Strategie, keine
Disziplinlosigkeit bei den Schülern und im Kollegium zu dulden, zusammen mit
neuen Schulinitiativen wie dem Friedens- und
dem Mädchenclub und vermehrtem
Sportangebot, hat sich ausgezahlt. Mit aller Strenge wird der in den Cape Flats
weit verbreitete Waffenbesitz von Schülern kontrolliert und unterbunden, ebenso
wie Drogen- und Alkoholbesitz. Den Besuchern zeigt Ms. O’Shea eine große
Schublade mit Messern, Beilen und Stichwaffen, die sie in den vergangenen
Jahren eingesammelt hat. Heute fühlen sich die Schüler in der
Tafelsig-Oberschule sicher und gehen gerne zur Schule, für manche der
einzige Ort, an dem sie sich geborgen fühlen können. Die besten Schüler jedes
Jahrgangs werden ausgezeichnet, und Kinder, die zu Hause hungern müssen, können
Essen mitnehmen. In einem Stadtviertel, in dem die offiziell erklärte
Arbeitslosigkeit bei 24% liegt, und es 2015 141 Morde gab, ist das eine
gewaltige Leistung.
Savatori
Southgate ist im Gefängnis von Goodwood, aber zum ersten Mal nicht im orangen
Overall der Häftlinge, sondern in Zivilkleidung. Das Ex-Mitglied einer Bande aus
Mitchells Plain hat sich vom Saulus zum Paulus gewandelt. Nun ist sein Ziel, zu
verhindern, dass andere, so wie er in der Vergangenheit, auf die schiefe Ebene
geraten. Er ist Berater eines Kollegs für Erwachsene und hält im Gefängnis
einen Vortrag über Menschenrechte im Auftrag eines Instituts zur
Kriminalitätsvorbeugung. Dabei geht es ihm weniger um Theorie als, darum, den
Gefangenen zu neuem Selbstwertgefühl zu verhelfen, und ihnen am eigenen
Lebenslauf zu zeigen, dass die Umkehr möglich ist. Als Insasse hatte er
erfolgreich
an einem Rehabilitierungsprogramm teilgenommen und sogar Theologie studiert.
Ebenso
in der Sphäre von Verbrechen und Justiz arbeitet das Anwaltskollektiv um Jackie
Nagtegal. Die attraktive Dreißigerin würde man eher in Chicki-Micki-Kreisen
suchen. Da kommt sie auch her. In den 2000ern machte sie Aufsehen mit einem
frechen Roman aus der Yuppie-Jugendszene und mit der ersten lesbischen Hochzeit
Kapstadts, nachdem das rechtlich möglich geworden war. Die Hochzeit wurde in großem Stil
gefeiert und war in allen Glanzzeitschriften
Thema. Die beiden Bräute waren so rot angezogen
wie die Rosenblätter, die im Pool des elterlichen Anwesens schwammen, während
die zahlreichen Gäste gehalten waren, ganz in Weiß zu erscheinen. Die Flitterwochen
verbrachte das junge Paar in Bangkok. Jackies bessere Hälfte Vera arbeitet
heute in der Kanzlei, der auch Jackies Bruder Jan-Jan angehört, mit. Die drei
haben die Praxis Lipco Law for All von Jackies und Jan-Jans Eltern übernommen
und den Schwerpunkt Rechtshilfe für sozial Benachteiligte noch ausgebaut. Dafür
haben sie unlängst den African Legal Award für die innovativste Kanzlei in
Afrika erhalten. Obwohl sie kein gemeinnütziges Unternehmen sind, also mit
ihrer Arbeit Geld verdienen müssen, ist es ihnen gelungen, auch für die 80%
weniger bemittelten südafrikanischen Rechtssucher finanzierbare Rechtshilfe
anzubieten. Sie haben sich vor allem auf Mediation spezialisiert, mit dem Ziel,
es gar nicht erst zu kostspieligen Prozessen kommen zu lassen.
Ein
Sprung nach Johannesburg und zurück zu den Schulen. Nicht nur die Schüler
kommen oft hungrig, angetrunken oder zugekifft zur Schule oder bleiben gleich
ganz weg. Auch bei den Lehrern ist Fehlen, Alkoholmissbrauch und schlechte
Ausbildung an der Tagesordnung. Bei den vielen Schwangerschaften von
Schülerinnen ist häufig einer der Lehrer der Urheber. Nun haben sich sechs Privatschulen in
Johannesburg zu
einem Lehrerausbildungsprojekt zusammengetan. Sie nehmen
Abiturienten aus unterprivilegierten Gebieten als Praktikanten auf und bilden
sie zu Lehrern aus. Die Praktikanten erhalten frei Unterbringung und Verpflegung
auf dem Campus ihrer Ausbildungsschule und ein Stipendium. 40 Unterrichtsmodule
müssen bewältigt werden. Von 19 Praktikanten haben das im vergangenen Jahr 11
mit Auszeichnung geschafft. Zehn weitere Privatschulen wollen sich dem Projekt
anschließen.
Bildnachweise:
John Nicholson, der Wohltäter von Lavender Hill: Die Burger,
24.3.2016
Rushda O’Shea, Tafelsig High School, mit der Waffenschublade:
Die Burger, 17.3.2016
Savatori Southgate vor dem Goodwood Gefängnis: Die Burger,
8.11.2015
Sifiso Adams, Lehrerpraktikant
am St. John’s College Johannesburg: Sunday Times, 7.2.2016
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