27. März 2016

Die guten Menschen von Kapstadt



Kapstädter müssen mit den täglichen Nachrichten von Überfällen, Bandenschießereien und anderen Gewalttaten leben. Doch nicht alles ist schwarz-in-schwarz. Um es etwas biblisch auszudrücken, es gibt sicher mehr gute als böse Taten. Gerade in Brennpunkten von Bandenkriminalität wie Mitchells Plain, Tafelsig oder Lavender Hill gibt es Menschen, die nicht wegsehen und die Achseln zucken, sondern versuchen, Bollwerke gegen Gewalt zu bauen.

Seit elf Jahren betreibt John Nicholson  im Hof seines Hauses in Lavender Hill eine Bibliothek für die Kinder seiner Gemeinde. Mit 50 Büchern hat er 2005 angefangen. Inzwischen sind es dank vieler Spenden 5.000.  Drei mal die Woche gibt es in seiner Suppenküche Lunch für 300 hungrige Kinder. Er hat Musikinstrumente angeschafft und gibt Unterricht. Sein neustes Projekt ist ein Fahrradclub. So hält John Nicholson Kinder und Jugendliche von der Straße weg und gibt ihnen eine Chance, normal aufzuwachsen.  


Seit Rushda O’Shea 2010 die Leitung der Tafelsig-Oberschule in Mitchells Plain übernommen hat, ist der Anteil der erfolgreichen Schulabgänger von  52% auf 86% gestiegen. Ihre Strategie, keine Disziplinlosigkeit bei den Schülern und im Kollegium zu dulden, zusammen mit neuen Schulinitiativen wie dem Friedens- und
dem Mädchenclub und vermehrtem Sportangebot, hat sich ausgezahlt. Mit aller Strenge wird der in den Cape Flats weit verbreitete Waffenbesitz von Schülern kontrolliert und unterbunden, ebenso wie Drogen- und Alkoholbesitz. Den Besuchern zeigt Ms. O’Shea eine große Schublade mit Messern, Beilen und Stichwaffen, die sie in den vergangenen Jahren eingesammelt hat. Heute fühlen sich die Schüler in der Tafelsig-Oberschule sicher und gehen gerne zur Schule, für manche der einzige Ort, an dem sie sich geborgen fühlen können. Die besten Schüler jedes Jahrgangs werden ausgezeichnet, und Kinder, die zu Hause hungern müssen, können Essen mitnehmen. In einem Stadtviertel, in dem die offiziell erklärte Arbeitslosigkeit bei 24% liegt, und es 2015 141 Morde gab, ist das eine gewaltige Leistung.

Savatori Southgate ist im Gefängnis von Goodwood, aber zum ersten Mal nicht im orangen Overall der Häftlinge, sondern in Zivilkleidung. Das Ex-Mitglied einer Bande aus Mitchells Plain hat sich vom Saulus zum Paulus gewandelt. Nun ist sein Ziel, zu verhindern, dass andere, so wie er in der Vergangenheit, auf die schiefe Ebene geraten. Er ist Berater eines Kollegs für Erwachsene und hält im Gefängnis einen Vortrag über Menschenrechte im Auftrag eines Instituts zur Kriminalitätsvorbeugung. Dabei geht es ihm weniger um Theorie als, darum, den Gefangenen zu neuem Selbstwertgefühl zu verhelfen, und ihnen am eigenen Lebenslauf zu zeigen, dass die Umkehr möglich ist. Als Insasse hatte er erfolgreich 
an einem Rehabilitierungsprogramm teilgenommen und sogar Theologie studiert. 


Ebenso in der Sphäre von Verbrechen und Justiz arbeitet das Anwaltskollektiv um Jackie Nagtegal. Die attraktive Dreißigerin würde man eher in Chicki-Micki-Kreisen suchen. Da kommt sie auch her. In den 2000ern machte sie Aufsehen mit einem frechen Roman aus der Yuppie-Jugendszene und mit der ersten lesbischen Hochzeit Kapstadts, nachdem das rechtlich möglich geworden war. Die Hochzeit wurde in großem Stil gefeiert  und war in allen Glanzzeitschriften Thema.  Die beiden Bräute waren so rot angezogen wie die Rosenblätter, die im Pool des elterlichen Anwesens schwammen, während die zahlreichen Gäste gehalten waren, ganz in Weiß zu erscheinen. Die Flitterwochen verbrachte das junge Paar in Bangkok. Jackies bessere Hälfte Vera arbeitet heute in der Kanzlei, der auch Jackies Bruder Jan-Jan angehört, mit. Die drei haben die Praxis Lipco Law for All von Jackies und Jan-Jans Eltern übernommen und den Schwerpunkt Rechtshilfe für sozial Benachteiligte noch ausgebaut. Dafür haben sie unlängst den African Legal Award für die innovativste Kanzlei in Afrika erhalten. Obwohl sie kein gemeinnütziges Unternehmen sind, also mit ihrer Arbeit Geld verdienen müssen, ist es ihnen gelungen, auch für die 80% weniger bemittelten südafrikanischen Rechtssucher finanzierbare Rechtshilfe anzubieten. Sie haben sich vor allem auf Mediation spezialisiert, mit dem Ziel, es gar nicht erst zu kostspieligen Prozessen kommen zu lassen.


Ein Sprung nach Johannesburg und zurück zu den Schulen. Nicht nur die Schüler kommen oft hungrig, angetrunken oder zugekifft zur Schule oder bleiben gleich ganz weg. Auch bei den Lehrern ist Fehlen, Alkoholmissbrauch und schlechte Ausbildung an der Tagesordnung. Bei den vielen Schwangerschaften von Schülerinnen ist häufig einer der Lehrer der Urheber.  Nun haben sich sechs Privatschulen in Johannesburg zu
einem Lehrerausbildungsprojekt zusammengetan. Sie nehmen Abiturienten aus unterprivilegierten Gebieten als Praktikanten auf und bilden sie zu Lehrern aus. Die Praktikanten erhalten frei Unterbringung und Verpflegung auf dem Campus ihrer Ausbildungsschule und ein Stipendium. 40 Unterrichtsmodule müssen bewältigt werden. Von 19 Praktikanten haben das im vergangenen Jahr 11 mit Auszeichnung geschafft. Zehn weitere Privatschulen wollen sich dem Projekt anschließen.

Bildnachweise:

John Nicholson, der Wohltäter von Lavender Hill: Die Burger, 24.3.2016  
Rushda O’Shea, Tafelsig High School, mit der Waffenschublade: Die Burger, 17.3.2016
Savatori Southgate vor dem Goodwood Gefängnis: Die Burger, 8.11.2015  
Sifiso Adams, Lehrerpraktikant am St. John’s College Johannesburg: Sunday Times, 7.2.2016
 
 

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