Vor dem Cabildo, dem Rathaus, das in seinem Kern noch aus der spanischen Kolonialzeit stammt, hatten Hunderte die Nacht zuvor Wache gehalten, um in den 25. Mai hineinfeiern zu können. Eine etwas andere Nachtwache fand auf der Plaza del Congreso unter meinen Fenstern statt und hielt auch mich bis in die Morgenstunden wach. Alle Gruppen links von der Regierung und die Vertreter der Indios begingen ein alternatives Gedenkfest. Indianische Gesänge auf Ketchua und Guaraní, viele, viele flammende Ansprachen und immer wieder Trommelwirbel lösten sich ab. Vor der Tribüne tanzten Murgas, Karnevalsfiguren, zum stampfenden Rhythmus der Trommeln. An Buchständen konnte man die Werke von Carlos Marx oder einen Band mit Stalin-Interviews erwerben. Nebenan brodelte ein puchero, ein Eintopf, überm Feuer. Die zweite Unabhängigkeit forderte man ein. Nach der ersten von Spanien vor 200 Jahren nun die Unabhängigkeit der Indios auf ihrem Land und die Unabhängigkeit von der Globaliserung. Nur ein kleines Häuflein von Zuschauer hatte sich eingefunden. Man war unter sich. Die Regierung schien ihren Schmuddelkindern diese Spielwiese eingeräumt zu haben, damit sie nicht bei der Feier der Großen störten.
Aus einem Pulk begeisterter Peronisten konnte ich mich am Festabend schließlich hinauswinden und feierte mit einigen anderen Portenos in der Halle des schönsten Bürogebäudes von Buenos Aires, im Barolo, den veinticinco de Mayo mit einem hinreißend verrockten Tangokonzert. Baile, baile companero, la vida es una milonga.
Fotos: La Nación, 26.5.2010
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