La Nacion-Korrespondent Andres Oppenheimer war in Singapur. Dort hat er Unerhörtes erlebt: Schulen, die funktionieren, Schüler, die zu Spitzenleistungen ermuntert werden, eine Wirtschaft, die auf dem Potential ihrer gut ausgebildeten Bürger aufbaut. Was bringt er mit zurück nach Argentinien? Bessere Ausbildung ja, aber bitte nicht so, nicht so konsequent und rigide wie in Singapur, ist sein Fazit. Einmal mehr also eine große Klage und eine halbherzige Schlussfolgerung. Man will das Ergebnis, aber scheut die Anstrengung. Argentinier kennen die Missstände im eigenen Land nur zu gut. Mit der Abhilfe tun sie sich allerdings schwer. Noch gehören sie innerhalb Südamerikas zu den besser Ausgebildeten. Aber wie lange noch, fragt man in den Zeitungen bang. Die ohnehin angesichts vieler Feiertage und langer Ferien wenigen Unterrichtstage an den Schulen werden durch regelmäßige Streikwellen der unterbezahlten und überforderten Lehrer, die sich auf die Unterstützung durch starke Gewerkschaften verlassen können, weiter gemindert. Das aktuelle Schuljahr konnte wegen eines Streiks erst gar nicht pünktlich anfangen. Die Ausstattung der öffentlichen Schulen und der Zustand der Unterrichtsräume und Sanitäreinrichtungen ist oft erbärmlich. Graffiti beschmierte Wände sind normal. So wandern immer mehr Eltern, die es sich leisten können, mit ihren Kindern in private Schulen ab, was die öffentliche Schulbildung noch mehr aushöhlt. Ein Teufelskreis.
Auch ist die Abneigung gegenüber technischen Berufen groß. Berufsschule und Lehre sind unbekannt. Am liebsten wird man Anwalt. Vier Juristen kommen auf einen Ingenieur. Die Rechtsfakultät im Stadtbezirk Palermo ist ein Wahrzeichen von Buenos Aires. Das eindrucksvolle Gebäude im Stil des Historismus mit seinem riesigen Säulenportikus belegt auch baulich, wie wichtig man die Rechtsausbildung nahm und nimmt. Daraus sollte aber nicht der Schluss gezogen werden, dass die Justiz wirklich unabhängig ist. Der Richterwahlausschuss ist fest in der Hand der Kirchneristen. Hohe Richter beklagen sich immer wieder über Pressionen aus der Politik. In Verwaltung, Politik und selbst Wirtschaft wimmelt es jedoch von abogados , von Anwälten. Mehr als 70.000 soll es in Buenos Aires geben, und heute, am 29. August haben sie ihren eigenen Tag, den día del abogado.
Wie der Erziehung aufhelfen, wenn Fußball wichtiger ist als Schule? Gerade wurden 600 Millionen Pesos (ungefähr 110 Millionen Euros) aus dem Staatssäckel für die kostenlose Ausstrahlung von Fußballspielen im Fernsehen abgezweigt. Veranschlagte Mittel für Erziehung und Soziales wurden dagegen gekürzt oder ihre Ausgabe verschoben.
29. August 2009
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