Ende der Rückblende auf stille Tage in Siebenbürgen und Szenewechsel zurück nach Buenos Aires, von wo ich in den nächsten Wochen berichten werde.
Ein neues Mediengesetz steht in Argentinien vor der Verabschiedung, das dem Staat, sprich dem regierenden Ehepaar Kirchner – Cristina aktuelle Präsidentin, Nestor Expräsident mit weiterhin entscheidendem Einfluss auf die Regierungspolitik – mehr Kontrolle über die Medien verschaffen wird. Machen die Kirchners doch vor allem die Presse für ihre Wahlschlappe vom Juni verantwortlich. In guter peronistisch-populistischer Tradition regiert man gerne mit der Straße. So intensiviert sich in diesen Tagen der in Buenos Aires geradezu ritualisierte Straßenprotest. Am Donnerstag fand so etwas wie der Welttag der Piquete statt, und ich habe an meiner strategischen Straßenecke wieder einmal einen Logenplatz.
Von links aus der Calle Hipolito Yrigoyen zieht ein Trupp weiß Bekittelter heran. Es ist nicht auszumachen, ob es sich um Schüler oder Krankenhauspersonal handelt, denn die Uniform für Lehrer und Schüler ist in den staatlichen Schulen ein recht unkleidsamer weißer Kittel. Mangels Trommeln machen die Demonstranten mit rhythmischem Klatschen auf sich aufmerksam. Gegen Mittag bekommen sie Verstärkung von Los Pibes / Die Jungen. Das ist wohl eine Jugendorganisation der regierenden Peronisten (PJ), denn ich habe die Pibes sich bei anderer Gelegenheit im Stadtteil La Boca vor dem PJ-Parteilokal sammeln sehen.
Gegen 17.00 schließlich der Höhepunkt des Protesttages. Aus der Avenida de Mayo bewegt sich ein Zug mit Schildern, die ihn als Polo Obrero - ein Sammelbecken von Arbeiterverbänden -
ausweisen, auf das Kongressgebäude zu. Vom mitgeführten Lastwagen mit Lautsprecher herunter skandiert eine Frauenstimme Parolen. Ein Meer von Hellblau und Weiß bietet sich dem Auge aus der Vogelperspektive. Viele haben sich die argentinische Flagge als Mantel um die Schultern gehängt. Schließlich nähert sich bandwurmgleich ein Zug, dessen Teilnehmer die Nationalflagge zwischen sich tragen. Eine schier endlose Flaggenschlange windet sich von der Ecke Avenida de Mayo und Calle Pte. L. Saenz Peña den Platz entlang bis zum Monument vor dem Kongress. Sie hätte gute Chance, in das Guinness Buch der Rekorde aufgenommen zu werden. Bei allen Protestmärschen, selbst von anarchistischen und trotzkistischen Splittergruppen, ist die Nationalflagge dabei. Argentinier beklagen oft, ihre Landsleute hätten nicht genug Nationalgefühl. Die Protestfolklore widerlegt diesen Eindruck. Gegen 19.00 trifft hinten am Kongress ein weiterer Zug ein, aus westlicher Richtung, aus der Avenida Rivadavia. Erst mit Einbruch der Dunkelheit geht dieser Protesttag zu Ende.
Bildnachweis: Piquete-Karikatur: La Nacion, 1.9.2009
29. August 2009
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