27. August 2009

Stille Tage in Siebenbürgen - Stadtgänge 4





Hermannstadt gilt als das Zentrum der Siebenbürger Sachsen, aber die Stadt ist nur eine unter den Schönen des Landes. Jede hat ihr eigenes Flair. Brasov/Kronstadt ist eleganter, meint Hedda, und Silvia hat es eine Konditorei dort angetan. Größer und lebhafter als Hermannstadt ähnelt Kronstadt, 140 Kilometer östlich, mit seinem alten Rathaus samt Turm am großen Platz Piata Sfatului, den Blumenrabatten und den von Belle Epoque-Häusern gesäumten Avenuen einem verkleinerten Wien. Gegründet wurde es schon im 13. Jahrhundert von deutschen Ordensrittern. Mit 280.000 Einwohnern ist es im Verhältnis zu Hermannstadt eine Großstadt. Salzburg/ Sibiuli/Ocna hatten wir schon auf dem Weg passiert. Der Kurort heißt wie die österreichische Schwester, weil man hier in der Sole baden und für die müden Knochen Erleichterung finden kann.

Am Kronstädter Hauptplatz ist ein riesiger Kran aufgefahren, der für eines der zahlreichen Sommerevents Tribünen aufbaut. Zu einer Seite ragt ein bewaldeter Hügel über dem Platz auf, an dem im Hollywood-Design der Namenszug Brasov prangt. Während man von Hermannstadt weit ins Land guckt, liegt Kronstadt in einem Talkessel. Unter den Sonnenschirmen der Cafés ist fast jeder Platz besetzt. Wir gehen ein paar Straßen weiter zur schwarzen Kirche. Auch hier gotische Strenge und das Gegenüber von Gottes- und Schulhaus wie in Hermannstadt. Neben dem Brukenthal-Gymnasium in Hermannstadt ist das Johannes Honterus-Gymnasium von Kronstadt die wichtigste deutschsprachige Schule Siebenbürgens. In der Kirche, die als größte gotische Kathedrale Südosteuropas ein Touristenmagnet ist, Jubel, Trubel, Heiterkeit, vor allem von rumänischen Ausflüglern. Die Mobiltelefone klingeln, die Kinder spielen, auf den Bänken hält man einen Schwatz. Andachtsvoll dagegen die wenigen Besucher die wir später im Halbdunkel der orthodoxen Kirche an der Piata Sfatului antreffen. Die evangelischen Kirchen werden von den meisten Rumänen wohl eher als Museen, denn als Andachtsstätten empfunden. Sie tragen allerdings mit der Eintrittsgebühr, die in allen Kirchen erhoben wird, obwohl sie weiterhin für Gottesdienste genutzt werden, und den Verkaufständen selbst zu diesem Image bei. Fast wähne ich mich in einer Moschee. Die Wände und Kirchenbänke sind über und über mit türkischen Teppichen behängt, was besonders in der sonstigen Kargheit einer protestantischen Kirche seltsam anmutet. Ich werde den Teppichen noch in vielen Kirchen Siebenbürgens begegnen. Wohlhabende Kaufleute pflegten in früheren Jahrhunderten von Geschäftsreisen in die Türkei Teppiche mitzubringen und sie ihren Gemeinden zu stiften. Wir schlendern durch die Altstadtgassen und flüchten schließlich vor einem Regenguss in die empfohlene Konditorei. Der Kuchen ist vorzüglich, aber die Selbstbedienung und der recht unfreundliche Service lassen keine Wiener Kaffeehaustimmung aufkommen.

Nur kurz halten wir uns im Rothenburg ob der Tauber von Rumänien auf. Das pittoreske Sighisoara/Schäßburg mit seinen steil ansteigenden Gassen, den blumengeschmückten Hutzelhäusern, den Linden bestandenen Plätzen und der Märchenbuch-Burg hoch oben als Krönung mag an einem Frühjahrs- oder Herbsttag reizvoll sein. Jetzt in der hochsommerlichen Ferienzeit platzt es aus allen Nähten. Für Dracula-Fans ist es ein Muss, soll der blutsaugende Graf doch hier geboren sein. Etwas ruhiger wird es in der Klosterkirche. Im 13. Jahrhundert vom Dominikanerorden begonnen, besitzt sie einen Flügelaltar mit einem Gemälde eines Sohnes von Veit Stoss, eines der wenigen Überbleibsel nach einem Brand im 17. Jahrhundert. Mich nehmen vor allem die naiv bemalten Kirchenbänke gefangen. Zunftzeichen verweisen auf die Gewerbe der Kirchenältesten, Bibelsprüche sind wie mit Cartoons illustriert: Aus den Wolken am Himmel kommt die göttliche Hand und leitet den Blinden an einer Schnur. Eine andere hält die Himmelskrone segnend überm Kirchlein. Welche Missstände unter anderem zur Reformation führten, kann man an einem uralten Dokument hinter Glas ablesen. Ein Ablassbrief von der Wende des 13. Jahrhunderts verspricht dem sündigen Käufer Straferlass. In späterer Zeit machte man sich in anderer Weise in der Kirche beliebt. Auch die Schäßburger Klosterkirche ist mit türkischen Teppichen geschmückt. Über den religiösen Hintergrund zumal der Gebetsteppiche, auf denen die Mihrab, die muslimische Gebetsnische, abgebildet ist, sah man großzügig hinweg.

Ganz anders Fogarasch/Fagaras. Diese rumänische Stadt mit dem ungarischen Namen, etwa auf der Mitte zwischen Hermannstadt und Kronstadt, liegt jenseits der Touristenströme. Im weitläufigen Zentrum erhebt sich mächtig die orthodoxe Kathedrale. Die Kuppel ist im Gerüst verborgen. Wird hier neu gebaut oder renoviert? Überall sehen wir orthodoxe Kirchen im Bau, zu viele meint so Mancher. Seit man den Kommunismus abgeschüttelt hat, prosperiert die orthodoxe Kirche und will Zeichen setzen. Wer mag die Riesenbauten füllen? Nur die Älteren gehen regelmäßig in die Kirche, meint Anca. Mitten im Ort, von einem Graben umgeben, steht die Schlossburg mit dicken Mauern und runden Türmen aus dem 17. Jahrhundert, ein Bollwerk in den Türkenkriegen. Allenthalben Wehrtürme, Reste von Stadtmauern, Burgen. Überleben konnten wohl in dem umkämpften Grenzland nur wehrhafte Orte. Am Ortsausgang fahren wir an einer kleinen Kirche ganz aus dunklem Holz vorbei. Sie erinnert an die norwegischen Stabkirchen. Wir haben Zeit, sie zu betrachten, denn eine Kuhherde trottet gemächlich des Wegs. Der Höhenzug der Fagarasberge begleitet uns mit seinen Zipfelmützengipfeln, die aussehen, als wohnte hinter diesen sieben Bergen Schneewittchen, auf der Fahrt nach Hermannstadt zurück.

Bildnachweise:
Malerei in Klosterkirche Schäßburg: Honterus-Druck, Sibiu
Sonnenschirme Kronstadt, orthodoxe Kirche Fagaras: Mateo Urquijo

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