Ich bin wieder an meinem Schreibtisch in Buenos Aires und schaue auf die Plaza del Congreso. Das Parlament, eine kleinere Ausgabe des Kongresses in Washington, ist noch da. Wenn ich näher an meinen Laptop rücke, kann ich die grüne Kuppel mit den klassizistischen Säulen hinter meinem Fensterkreuz verschwinden lassen. An der Freitreppe davor bereiten sich die piqueteros des Tages auf ihren Protestmarsch vor. Redefetzen und Trommelwirbel klingen herüber.
Die Obdachlosen, die sich unterm großen Gummibaum links am Platz häuslich eingerichtet haben, sind noch da. Der bronzene Kondor landet wie immer auf den Schultern Mariano Morenos auf seinem Denkmalsockel, eine besonders bei Hunden beliebte Anlaufstelle. Die blau-weiße Flagge mit der aufgehenden Sonne steht noch auf Halbmast, denn vor zwei Tagen war Todestag von Nationalheld José de San Martin. Wie zuvor winden sich die Schlangen am Teatro Liceo, die nach einer Karte für das Stück "Edith Piaf" anstehen, um die Ecke der Calle Parana. Eine parallele Schlange bewegt sich auf der anderen Strassenseite langsam auf das große Eckgebäude im Belle Epoque-Stil zu, vor dem ich im Kopf des Blogs auf meinem Balkon zu sehen bin. Die peruanischen Gastarbeiter stehen vor ihrem Konsulat an. Ganze Rudel der gelb-schwarzen Taxis warten an der Ampel der Avenida de Mayo. Asthmatische colectivos, die Stadtbusse, schieben sich von links ins Bild.
Der Eindruck wäre unvollständig ohne die typische Geräuschkulisse hier mitten im Zentrum von Buenos Aires: das Heulen der Sirenen einer Feuerwehr, die aus dem nahen Depot losbraust, das Hupen der Autos, die in der Avenida Rivadavia nicht weiterkommen, weil die Protestler die Strasse versperren, der hohe Warnton, wenn ein Auto aus dem Parkplatz an der Calle Hipolito Yrigoyen fährt, das Rascheln der Pappen, die von den cartoneros, den Altpapiersammlern an der Ecke der Calle Pte. Saenz Pena, zerkleinert werden, das Gebell des Rudels von Hunden, die von einem der professionellen Hunde-Sitter ausgeführt werden, das Klimpern der Musik am Kinderkarusell auf dem Spielplatz vorm Springbrunnen. In Buenos Aires hätte Walter Ruttmann seine Sinfonie einer Grossstadt komponieren können.
Drei Wochen bin ich weg gewesen, weg von den kühlen, sonnigen Wintertagen und dem Schweinegrippe-Chaos, das besonders die Capital Federal, Argentiniens Hauptstadt, im Juli und August lahmgelegt hat. Auf Lese- und Besuchsreise in Deutschland und in Rumänien. Davon mehr im nächsten Blogeintrag.
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