26. Mai 2010

Bicentenario - Vierter und letzter Tag oder "Lasst Millionen um mich sein!"

Zwei Millionen Menschen, fast soviele wie in ganz Hamburg wohnen, tummelten sich gestern im Zentrum von Buenos Aires rund um den Obelisken und feiertern sich selbst und den 200. Geburtstag ihres Landes. Das Jubelfest erreichte am Abend mit einem historischen Bilderbogen in 19 Szenen von den Befreiungskämpfen über die Zeit der Einwanderung und den folgenden Wirtschaftsaufschwung bis zur jüngsten Militärdiktatur und deren Überwindung seinen Höhepunkt. Auf der Ehrentribüne konnte die Präsidentin mit der geballten Prominenz von neun südamerikanischen Staatschefs aufwarten. Viva Argentina, tönte es aus tausenden von Kehlen, aus nicht ganz so vielen auch Viva Perón und Viva Cristina.

Vor dem Cabildo, dem Rathaus, das in seinem Kern noch aus der spanischen Kolonialzeit stammt, hatten Hunderte die Nacht zuvor Wache gehalten, um in den 25. Mai hineinfeiern zu können. Eine etwas andere Nachtwache fand auf der Plaza del Congreso unter meinen Fenstern statt und hielt auch mich bis in die Morgenstunden wach. Alle Gruppen links von der Regierung und die Vertreter der Indios begingen ein alternatives Gedenkfest. Indianische Gesänge auf Ketchua und Guaraní, viele, viele flammende Ansprachen und immer wieder Trommelwirbel lösten sich ab. Vor der Tribüne tanzten Murgas, Karnevalsfiguren, zum stampfenden Rhythmus der Trommeln. An Buchständen konnte man die Werke von Carlos Marx oder einen Band mit Stalin-Interviews erwerben. Nebenan brodelte ein puchero, ein Eintopf, überm Feuer. Die zweite Unabhängigkeit forderte man ein. Nach der ersten von Spanien vor 200 Jahren nun die Unabhängigkeit der Indios auf ihrem Land und die Unabhängigkeit von der Globaliserung. Nur ein kleines Häuflein von Zuschauer hatte sich eingefunden. Man war unter sich. Die Regierung schien ihren Schmuddelkindern diese Spielwiese eingeräumt zu haben, damit sie nicht bei der Feier der Großen störten.
Aus einem Pulk begeisterter Peronisten konnte ich mich am Festabend schließlich hinauswinden und feierte mit einigen anderen Portenos in der Halle des schönsten Bürogebäudes von Buenos Aires, im Barolo, den veinticinco de Mayo mit einem hinreißend verrockten Tangokonzert. Baile, baile companero, la vida es una milonga.
Fotos: La Nación, 26.5.2010


25. Mai 2010

Bicentenario - Dritter Tag oder "Zum Colon, zum Colon!"

So sagen Argentinier, wenn jemand sich besonders auszeichnet. Ihr geliebter Kunsttempel, das mehr als 100 Jahre alte Teatro Colón, ein Opernhaus der Superlative, ist nach vier Jahren Umbauzeit, vielen Querelen und heftiger Kostenüberschreitung gestern abend mit La Bohème feierlich wiederöffnet worden. Alles strahlt golden und rot samten wie zu den besten Zeiten des Theaters. Die berühmte Akustik, die schon Enrico Caruso und die Callas entzückte, konnte erhalten werden. Mauricio Macri, der Bürgermeister der Stadt, feierte das Ereignis mit 2.700 geladenen Gästen. Nur Präsidentin Cristina Kirchner war abwesend, denn sie ist dem Stadtchef nicht grün. Das störte aber nicht weiter, glänzten doch die Damen um die Wette in Pailletten glitzernden Roben und Chinchilla Capes und die Herren im dunklen Anzug mit patriotisch himmelblauer Krawatte.

Sogar ein Staatschef war gekommen. José Mujica aus Uruguay, obwohl von der Linken, wie die argentinische Präsidentin und anders als der konservative Bürgemeister, scherte sich nicht um Politik und gab zum Besten: Mein Vater war Arbeiter mit 80 Pesos Lohn im Monat, aber er sparte 6 Pesos, um in Montevideo in die Oper zu gehen. Die Oper ist für alle dar, nicht nur für politische Freunde der Regierung, war Mujicas Botschaft. So recht demokratisch ging es allerdings bei der Wiedereröffnung nicht zu. Kaufen konnte niemand eine Karte, nicht für 6 Pesos und nicht für 600. Das Volk konnte sich nur von der Straße aus ein Spektakel ansehen, dass die High Lights aus der Geschichte des Colón in einer Ton- und Lichtschau bot.

Fotos: La Nación, 24.5.10 und Beilage N, 22.5.10

24. Mai 2010

Bicentenario - Zweiter Tag

Um 18.00 Uhr war gestern alles vorbei. Die Tangoschau am Obelisk musste ausfallen, denn es regnete in Strömen. Wie 1810, sagten wissend die Älteren, als könnten sie sich noch an den Geburtstag ihrer Republik erinnern. Aber alles ist im Bild festgehalten. Und da schweben über den Biedermeierroben der am 25. Mai vor 200 Jahren auf der Plaza de Mayo versammelten Bürger von Buenos Aires schwarze Regenschirme. Ob es die damals schon gab, oder ob der Maler sie später dazu erfunden hat, ist umstritten.

Trotz des Gewitterausbruchs im Jahr 2010 gab es aber noch viel zu sehen. Die Tanzgruppe von den Anden zum Beispiel. Die Frauen in blumigen langen Kleidern, die Männer zum Verlieben. Unterm riesigen schwarzen Sombrero lugte bei einem der alternative Zopf hervor. Die Pluderhosen, die Schärpen, die Stiefel mit Absatz, der weinrote Poncho lässig über der Schulter. Die Mannsbilder stahlen ihren Frauen die Schau. Ich bin aus La Rioja sang Cristina Velasco mit tiefer, kräftiger Stimme und begleitete sich selbst mit einem Trommelwirbel. Die ferne, trockene und heiße Provinz am Andenrand, aus der die besten Oliven kommen, zeigte alles, was sie zu bieten hat. Nur einer war nicht dabei, der noch vor 30 Jahren im Mittelpunkt gestanden hätte. Carlos Menem, der Präsident, der das Land nach Caudillo-Manier regierte, es aber auch nach außen öffnete, kommt aus La Rioja. Heute ist er abgemeldet. Nur wer kirchnertreu ist, darf beim Staatsbankett am 25. dabei sein. Die ehemaligen Präsidenten de la Rua, Menem und Duhalde gehören nicht dazu, ebenso wenig wie Vizepräsident Cobos, mit dem die Chefin über Kreuz ist. Viel politisches Gezänk ist im Spiel. Das trübt aber nicht die Begeisterung der herbeiströmenden Massen. Die Fähnchenverkäufer haben Hochbetrieb. Selbst Maskottchen tragen in diesen Tagen gerne helblau-weiß.

Die Zuschauer bekommen einiges geboten. Mit 70 Lamas waren die Leute aus einer weiteren Andenprovinz, aus Jujuy, angerückt. Die Pferde aus der Pampa mussten jedoch zuhause bleiben, weil eine Krankheit ausgebrochen war, und man Ansteckung der hauptstädtischen Rösser befürchtete. Dafür wurde die Bühne an der Ecke Calle Bartolomé Mitre von drei riesigen weißen Plastikpferden verschönt, denen eine Statue der Madonna von Lujan zur Seite stand.

Am Nachmittag zeigte Argentinien seine Vielfalt als Einwanderland. Die comunidades aus einer Vielzahl von Einwanderernationen defilierten. Chinesische kleine Mädchen in roten bestickten Gewändern lösten Schotten ab, die auf ihren Dudelsäcken argentinische Waisen spielten. Die Brasilianer hatten ihren Christus vom Zuckerhut mitgebracht - aufblasbar. In den Regen hinein knallten schließlich ein paar Feuerwerkskörper, und alles war für heute zuende. Fortsetzung morgen.

Fotos: La Nación, 24.5.2010

Bicentenario - Erster Tag

Während ich dies schreibe, schmettert ein Tenor über den Kongressplatz die argentinische Nationalhymne: Hört den heiligen Schrei, Freiheit, Freiheit, Freiheit! Der Kongress selbst ist strahlend in den Landesfarben blau, weiß und Gold beleuchtet. Endlich sind die ersehnten vier Festtage angebrochen. Alle, die es nicht vorgezogen haben, die freien Tage zu einem Kurzurlaub zu nutzen, strömen auf die Avenida 9 de Julio. Am Freitag abend hat die Präsidentin am Obelisken die Zweihundertjahrfeier eröffnet. Die eher unbeliebte erste Dame der Nation trumpfte mit dem Ausspruch auf, Gott habe sie dazu ausersehen, dieses Bicentenario auszurichten. Nicht Gott hat sie eingesetzt, sondern ihr Mann, wurde gewitzelt, ist Cristina Kirchner doch ihrem Gatten Nestor Kirchner im Amt gefolgt, damit die Pfründe in der Familie bleibt. Nächstes Mal will er wieder antreten. Die, soweit nicht längst ausgerotteten, überall an den Rand gedrängten Indios denken über Gottes Hand wohl etwas anders. Sie waren aus den fernsten Landesteilen zu einem Protestmarsch in die Hauptstadt gekommmen, um ihre Rechte einzufordern: mehr Land, bessere Erziehung sowie Gesundheitsversorgung und vor allem Bewahrung ihrer Kultur und ihrer Sprachen. Doch: Egal wie sehr ihnen die gegenwärtige Politik stinkt, 82% aller Argentinier sind einer Umfrage zufolge stolz auf ihr Land.
Gestern zogen sie alle an der Haupttribüne mit den Honoratioren vorbei. Die Abgesandten der 23 argentinischen Provinzen marschierten, sangen, tanzten, trompeteten, trommelten, fuhren auf geschmückten Wagen. Soviel geballte, freudige und farbige Folklore kann man selbst in Argentinien, wo Volksmusik und Volkstanz hochgehalten werden, selten sehen. Aus Corrientes kamen die gutgebauten Mädchen mit ihren Glitzerbikinis und Federschmuck und zeigten, dass der Karneval im Gebiet der großen Flüsse im Nordosten fast so farbig und lebendig ist wie in Brasilien. Aus dem Chaco, dem wilden, heißen Norden, kamen die Gruppen der Einwander in ukrainischen, russischen und italienischen Trachten, aus Chubut einige Indios und aus Entre Rios Freizeitsoldaten in historischen Uniformen aus der Zeit der Befreiungskämpfe.
Kinder saßen bei ihren Vätern auf den Schultern und schwenkten blau-weisse Fähnchen. Bei den fliegenden Händlern gab es Empanadas und die süssen, fettigen Churros zu kaufen. Zum Schluss, schon tief in der Nacht, überstahlte ein Feuerwerk den Festtrubel in allen Farben.

Argentinien hat Geburttstag. Zweihundert Jahre jung ist es geworden. Herzlichen Glückwunsch!

Fotos: La Nación, 22.5.2010

21. Mai 2010

Aufwasch fürs Bicentenario

In der kleinen Galerie Pasaje 17 an der Passage La Piedad mitten im historischen Viertel Congreso ist was los. Jeden Tag sitzt Esilda, die junge Galeristin, von 17.00 bis 18.00 Uhr im Schaufenster. Mit Verve wäscht und schrubbt sie einen Berg Töpfe und Teller. Derweil kann man in der Galerie selbst alte Lithographien mit Genrebildern aus der heroischen Zeit von Argentinien anschauen. Da schwingen Gauchos das Lasso und die Boledoras, die Wurfkugeln, die das Rind einknicken lassen, ist ein Pferdefuhrwerk mit frischem Fisch zum Markt unterwegs und promenieren die Schönen auf dem paseo.

Warum wäschst Du Geschirr ab? frage ich Esilda. Die Performance ist nicht ohne maliziösen Hintersinn. Limpiar para la patria, fürs Vaterland saubermachen, ist die Devise. Da kommt wohl einiger Schmutz zuammen. Während der zweiwöchigen Aktion wäscht Esilda nur eines nicht: ihre Schürze. Die ist jetzt kurz vor dem entscheidenden Festtag, dem 25. Mai, schon recht fleckig.

Mariana likes this, hat eine junge Passantin im Facebook-Stil an Esildas Fenster geklebt, und eine alte Nachbarin brachte ihren großen Topf vorbei, in dem wohl schon mancher puchero, der deftige Eintopf aus Fleisch, Mais und Gemüse, gekocht worden ist.

20. Mai 2010

Die Hauptstadt der Bücher

Jeden Morgen habe ich die Qual der Wahl. An fünf Zeitungskiosken in meiner nächsten Nachbarschaft kann ich mein Leibund Magenblatt kaufen. Aber nicht nur das. Einige warten auch mit Büchern auf. Darunter ist so schwere Kost wie »Psychoanalyse in der Krise«. Auch in der Rushhour quetschen sich Porteños, wie sich die Bewohner von Buenos Aires nennen, mit der Nase im Buch in die UBahn oder den Omnibus.

Keiner weiß wohl genau, wie viele Buchläden es in der Elf-Millionen-Metropole gibt. Der Broadway von Buenos Aires,die Vergnügungsund Theatermeile an der Avenida Corrientes mitten im Zentrum, ist auch das Eldorado der Buchjäger. Eine Buchhandlung reiht sich in einigen Straßenblöcken an die andere. Schulter an Schulter reiben sich große Läden wie Ghandi mit kleinen Bücherschluchten, die oft nicht viel mehr als ein zur Straße offener Korridor sind, vollgestopft mit einem krausen Gemisch von Secondhandund Erbauungsbüchern.

Der Büchertempel Ateneo an der Avenida Santa Fé, vom gleichnamigen Verlag betrieben, hat es in einer Liste des »Guardian« unter die zehn schönsten Buchhandlungen der Welt gebracht. In dem ehemaligen Theater stehen die Bücherregale auf drei Etagen vornehm in mit Putten geschmückten Logen.

Die beiden großen Zeitungen »La Nación« und »Clarín« bringen wöchentlich eine dicke Beilage heraus, die hauptsächlich der Literatur gewidmet ist. Wer einmal die jährliche Buchmesse, eine Publikumsund Verkaufsmesse, erlebt hat und in die Massen von Besuchern, die bis in die Abendstunden herbeiströmen, eingetaucht ist, glaubt sich auf einer Mischung aus Grüner Woche und Jahrmarkt.

Seit zwei Jahren gibt es die Lange Nacht der Bücher. Dann wird die Avenida Corrientes, die wahrlich keine Kleinstraße ist, einfach abgesperrt, und man kann bis Mitternacht in den Buchhandlungen stöbern, sich gemütlich auf einem Stuhl auf der Fahrbahn niederlassen und schmökern.

Dennoch klagen die argentinischen Kulturpäpste, das Lesen gehe zurück. Ist das nur professionelle Stimmungsmache? Wohl nicht, denn laut einer Statistik von PricewaterhouseCoopers, die weltweit Ausgaben für Bücher vergleichend aufgelistet hat, von »La Nación« im Oktober 2009 für Südamerika veröffentlicht, liegt Argentinien mit 22 Pesos oder ca. sechs Euro pro Kopf und Jahr noch hinter seinen Nachbarländern. Es sieht also mit dem Lesen tatsächlich gar nicht so rosig aus, wie es den Anschein hat.

Doch vielleicht sind Porteños nur sparsam und lesen die Bücher vom Freund mit oder kaufen billig secondhand. Ich glaube eher dem, was ich sehe. Jedenfalls gehört das Buch hier noch zum guten Ton. Kein Intellektueller, der etwas auf sich hält, würde sich im Freizeitlook in seinem Garten ablichten lassen. Er sitzt stets vor seiner gut gefüllten Bücherwand.

Vor Jahren besuchte mich ein belgischer Künstler, der als Kunstprojekt Menschen in allen möglichen Ländern vor ihren Büchern fotografierte. In Buenos Aires wäre das wohl ein Endlos-Projekt geworden.

17. Mai 2010

Bicentenario - chinesisch

Ganz Buenos Aires ist seit Wochen im Bicentenario-Fieber. An den Tribünen auf der Avenida de Mayo wird gebosselt. Selbst das Teatro Colón ist nun endlich renoviert. Der Count Down bis zum 25. Mai beginnt.
Da will niemand abseits stehen. Auch die chinesische Gemeinde im winzigen Chinatown des barrio Belgrano feierte mit. Gestern bei schönstem, klarem Herbstwetter schlängelte sich ein großer gelb-roter Drachen durch die Calle Arribenos, und echt chinesisch gekleidete Argentino-Chinos führten Kampfspiele und Tänze vor. Selbst Buddha war für einmal Argentinier. Vor seiner Statue wurden Opfergaben niedergelegt, damit am 25. Mai beim großen nationalen Festakt ja nichts schiefgeht. Der Tag für das chinessich-argentinische Fest war vom Kloster Fo Guang Shan festgelegt worden, denn so konnte man gleich noch Buddhas Geburtstag mitfeiern.

Foto: La Nación, 17.5.2010

Ein Tor für die heilige Jungfrau

Die Fußballbegeisterung ist in Argentinien ein Politikum. Regierungschefin Cristina Fernandez de Kirchner gibt viel Geld aus, um das Publikum fußballmäßig bei der Stange zu halten, denn wo es guten Fußball gibt, kann wohl nicht schlecht regiert werden, oder?



In den Stadien ist die Begeisterung allerdings rein männlich. Nur eine Frau wird dort geduldet. Die heilige Jungfrau. Ob sie der gestern obsiegenden Mannschaft des Clubs Argentino zum 1:2 gegen Hurricán verholfen hat? Ihre Fans scheinen davon überzeugt zu sein. Zärtlich blickt einer von ihnen auf die mitgeführte Marienstatue. Und wer hilft Hurricán? Die Heilige Jungfrau kann schließlich nicht überall sein. Nur Cristina Kirchner ist allgegenwärtig und sorgt für Fussball für alle und das gratis. Wer wird sich da noch um solche Nebensächlichkeiten wie Rechtssicherheit, Pressefreiheit und Inflation scheren.


Foto: La Nación, 17.5.2010

2. Mai 2010

Das Fest des Buches IV

Auf der Avenida Sarmiento und erst recht auf der Feria del Libro war Fiesta! Ganz Buenos Aires war auf den Beinen, ließ sich die Stadtverwaltung am Dia de la Ciudad doch nicht lumpen und hatte zwei große Bühnen aufgebaut. Schöne Mädchen führten ihre Trachten aus der Zeit der Befreiungskriege in milder Spätsommerluft spazieren, von den Bühnen klangen schmelzende Lieder von Liebesleid und -lust. Die Schlange vor dem Eingang zur Buchmesse wolllte kein Ende nehmen. Stolz drängelte ich mich vorbei, denn ich war ja als Autorin gekommen. Wie zu erwarten, war aber das Interesse für ein deutsches Buch über Buenos Aires bei den Portenos nicht allzu groß, und ich konnte mich bald vom Deutschen Gemeinschaftsstand davon machen, um all die Herrlichkeiten dieses großen Jahrmarkts zu genießen. Echt japanisch ließ ich meinen Namen mit Tusche aufmalen. Das Islamische Zentrum drückte mir Sprüche Mohameds in die Hand, und ein paar schmucke Jungs der Argentinischen Marine standen fürs Foto bereit. Am Stand von Paraguay konnte ich endlich eine Straßenkarte des Nachbarlandes ergattern und das ebenso lange gesuchte Guaraní-Wörterbuch.
Ich hielt bis 22.00 durch, um das Gedenkkonzert für La Negra, für die unvergleichliche Mercedes Sosa, mitzuerleben. So gegen 21.00, wenn auf deutschen Messen schon längst dicht gemacht worden ist, wurde das Gedränge geradezu bedrohlich. Man kam heute abend an der langen Nacht der Messe kostenlos hinein. So strömten Urahne, Mutter und Kind herbei und umlagerten jeden Stand, vor allem die, bei denen es ums Bicentenario, um die Feier der eigenen zweihundertjährigen Geschichte ging, die im Rückblick immer glorreicher wird.

Foto: Marion Kaufmann