31. Dezember 2015

Roter Philantrop und weißer Schuldirektor

Zum Jahresende 2015 melde ich mich zurück aus Südafrika mit einer guten Nachricht. Die hat das Land am Kap der Guten Hoffnung bitter nötig, denn zur Hoffnung gab das nun fast vergangene Jahr wenig Anlass. Zuviel ist schiefgelaufen in Politik, Wirtschaft und sogar beim Wetter. Im Herbst der Südhalbkugel Tumulte im Parlament,  im Winter und Frühjahr landesweite Studentenproteste und gewaltättiger Streik der Parlamentsangestellten. Dann setzte Präsident Zuma dem Ganzen im Dezember die Krone auf, als er einen bewährten Finanzminister entließ und in wenigen Tagen gleich zwei neue bestellte, was den Rand in den Keller schickte und das Vertrauen internationaler  Investoren ebenso.  Dazu stöhnen die Bauern in dem ohnehin trockenen Land unter einer katastrophalen Dürre. Die Queen würde wohl sagen, es war ein annus horribilis.

Doch Südafrikaner sind darin geübt, sich selbst zu helfen. Ein Bauer macht einen Plan, lautet ein beliebter Spruch, wenn man Ausweg aus einer Misere sucht. Eine solche ist die chronisch schlechte Qualität der öffentlichen Schulen. Tjuks Roos und sein Bruder Johan, in der fünften Generation Weinfarmer auf dem Weingut Rust en Vrede (Ruhe und Frieden) nahe bei Stellenbosch im Herzen des Weilands wollen nicht warten, bis der Staat etwas tut. Sie packen lieber selber an. So gründeten sie die Kinderkrippe Babbel und Krabbel für alle Kinder ihrer Farmarbeiter. Sie hoffen, das Schulprojekt bis zur Hochschulreife ihrer Kinder fortführen zu können. Das kostet viel Geld. So haben die Brüder zwei Weine auf den Markt gebracht, deren Erlös ganz dem Schulprojekt zufließt: den Rotwein Der Philantrop und den Weißwein Der Schulrektor. Es ist ein Anfang. Wir sind alle aufeinander angewiesen, haben die Brüder erkannt, und das ist nichst anderes als ubuntu, das afrikanische Miteinander.



13. März 2015

Südafrikaner leben gefährlich


Jeder in Südafrika hat gelernt mit dem Verbrechen zu leben. Bei Dunkelheit geht man nicht aus. In einsamen Straßen schaut man über die Schulter. Vor den Fenstern hat man Schutzgitter und am Tor das Schild eine Sicherheitsdienstes. Das alles ist seit Jahren so.

Was mir nach mehrjähriger Abwesenheit neu schien, ist die Offenheit, mit der für Waffenbesitz geworben wird. Viele Südafrikaner haben eine Waffe zuhause. Als ich vor Jahren mit einer kleinen Gruppe von Besuchern eine Diamantenmine besuchte und man die Routinefrage nach mitgeführten Waffen stellte, kam mir das absurd vor, bis eine feine alte Dame einen Revolver aus ihrem Handtäschchen zog und ihn auf den Tisch legte. 





Neu ist aber der große Waffenladen in meinem nächsten Einkaufszentrum und die Anzeige zum Valentinstag, man möge doch seiner Liebsten eine Pistole schenken, gerne auch in Rosa. In den Townships, wo die meisten Verbrechen verübt werden, ist ohnehin kein Mangel an Waffen. Ein Wochenende ohne einen Mord in Kayelitsha oder den anderen Orten der Cape Flats ist eine Nachricht wert. Bang liest man die jährliche Statistik. Die Morde seien zurückgegangen, versichert die Regierung, „Nur“ Raub und Autodiebstahl hätten zugenommen. Ein befreundete Bauunternehmer, ein kerniger, sanguinischer Typ, sagte mir kürzlich resigniert, er sei müde. Das Geschäft werde immer schwieriger. Wenn man irgendwo baue, würde einem das Material unter der Hand weggestohlen.


So nimmt man jede positive Nachricht begierig auf, etwa wenn Jonny Steinberg, der prominente Autor, der immer wieder den Finger auf die Wunde von Gewalttätigkeit und Fremdenhass gelegt hat, in einem offenen Brief erklärt, warum er trotz allem vom idyllischen Oxford ins gefährliche Johannesburg zurückkehrt. Right or wrong my country, ist seine message. Hier bin ich zuhause, hier will ich sein.  

Bild: ein Toter liegt an der Ecke Tamarisk und Schubert Straße in Delft nachdem er am 21.2.2015 erschossen wurde
Quelle: Cape Times, 22.2.2015

12. März 2015

Von einer Schule unter Bäumen und von Tanzpaaren im Bandenrevier

Ein böser Witz über das nach wie vor desolate Schulwesen in Südafrika geht so: Die Regierung verkündet, künftig soll es keine Schulen unter Bäumen mehr geben. Frage: Heißt das, man will die Bäume fällen? 

Doch nicht alle Schulen unter Bäumen sind ein Zeichen für Rückständigkeit. Manche sind sogar ein Hoffnungsschimmer. Im Mai 2012 wurde das obenstehende Foto der Selowe Primarschule im Dorf Silvermine in der Provinz Limpopo aufgenommen. Die Schulstunde fand unter einem großen Marulabaum statt. Es ist die Sorte Baum, von dessen Früchten der cremige, süffige Amarula Likör gebraut wird. Leicht vergoren fallen sie zur Erde und erfreuen die Elefanten der Gegend mit einer mild alkoholisierten Leckerei, bis sie leicht zu schwanken anfangen.  Die Gemeinde Silvermine hatte alle Kräfte angespannt, um für die 165 Schüler einen Lehrer und Unterricht zu bekommen, wenn auch unter Bäumen. Zwei Jahre später sitzen die Schüler in einem, wenn auch rudimentären, Klassenzimmer mit Tafel und Schulbänken. Dank der nicht nachlassenden Entschlossenheit der Gemeinde war es gelungen Mittel für eine Schulgebäude und die Grundausstattung zu bekommen. Schließlich konnte man auch die zuständige Schulbehörde überzeugen und erhielt die Anerkennung als Regularschule. Ein enormer Fortschritt im ländlichen Limpopo. Noch fehlt viel: Bücher, ein Schullabor und ein Sportplatz, aber ein vielversprechender Anfang ist gemacht.   

Mit anderen Problemen haben die Jugendlichen in den Cape Flats, den ausgedehnten Armensiedlungen um Kapstadt herum, zu kämpfen. Sie wachsen mit Alkohol- und Drogenmissbrauch und mit Bandenkriegen auf. Schießereien sind ander Tagesordnung. Mein Tischler, der mit seinen Brüdern im Stadtteil Delft eine kleine Werkstatt für Küchenmöbel betreibt, berichtet vom täglichen Überlebenskampf. Am Wochenende, wenn er die Schießereien hört, lässt er seine Kinder nicht auf die Straße und noch nicht einmal in den Vorgarten. Man bleibt lieber im Haus in relativer Sicherheit. Für viele Jugendliche scheint der Weg in die Jugendbande vorgezeichnet zu sein.


Jedes Projekt, das den Kindern eine Alternative bietet, ist wie ein Lichtstrahl. Während ihre drogensüchtigen Freunde dem Tik-Tak von Methamphetamin verfallen sind, das über einer Glühbirne erhitzt wird, tippen die Schüler der Downville Primarschule im bandengeplagten Stadtteil Manenberg auf den Boden ihrer Turnhalle im Rhythmus eines Tango. Sie üben für einen Tanzwettbewerb in Mitchell' s Plain, einem anderen Brennpunkt der Jugendkriminalität. Die zehnjährige Sharney sagt, sie sei nur nach einem süchtig. Sie möchte tanzen. Mansoor, der seine Mutter verloren hat und mit seinen drei Geschwistern von seiner Großmutter aufgezogen wird, tanzt seit sechs Monaten und hat schon eine Reihe von Preisen gewonnen. Manchmal müssen die Tanzschüler zuhause bleiben, denn es ist zu gefährlich auf die Straße zugehen, aber sie und ihr Lehrer Mario Wanza geben nicht auf.  Stolz sagt er: Es ist erstaunlich, was die Tänzer trotz aller Widerstände schon erreicht haben. Sie sind die Zukunft von Manenberg.   

Bilder: Kinder in der Schule unter Bäumen in Silvermine, Limpopo im Mai 2012
           Dishaad Johnson und Abdul Ismail aus den Cape Flats üben für das Tanzturnier in Mitchell’s Plain,
Quelle: Sunday Times, 7.12.2014



11. März 2015

Hochzeit Zulustyle




Wer braucht noch eine große, fette, griechische Hochzeit, wenn er im Zulustil heiraten kann. Sie möchten nicht die fünfte Frau des südafrikanischen Staatschefs Jacob Zuma werden, weil er, zumindest per Gesang, zu gerne zu seinem Maschinengewehr greift oder weil er in Karikaturen nur mit Dusche auf dem Kopf erscheint, meinte er doch Aidsansteckung beim Liebesspiel ließe sich durch Duschen vermeiden? Denken sie noch einmal nach. 

Ihr hoffentlich ausreichend Platz bietender Busen und ihre Stirn würden mit Geldscheinen bepflastern werden. Die lobola, der Brautpreis, ginge sicher über die paar lumpigen Kühe, die sonst im Zululand üblich sind, hinaus und sie könnten mit ihrem frischgebackenen Ehemann im Leopardenfell tanzen. Über ihren gut bewachten Wohnsitz, die Ausbildung ihrer Kinder, die Finanzierung von Einkaufsreisen im Ausland und allerlei anderem Luxus brauchten Sie sich keine Gedanken mehr zu machen. Denn für alles würde Vater Staat aufkommen, wie er es schließlich auch bei Ihren Mitfrauen tut, und das großzügig. Bei den 54.6 Millionen Rand, die Zumas Ehefrauen und ihre Haushalte den Staat von 2009 bis 2014 gekostet haben, wäre sicher noch etwas Luft für eine weitere große, fette Hochzeit.





Sollte eines ihrer Kinder später einmal rein aus Versehen, versteht sich, mit seinem Porsche einen Passanten ins Jenseits befördern, müssten Sie sich keine Sorgen machen. Sicher könnte er mit Milde rechnen.Was dem älteren Stiefbruder recht ist, wird für Ihren Nachwuchs wohl auch gelten dürfen











Bildnachweis: Präsident Zuma und Nompumelelo Ntuli bei ihrer Hchzeitszeremonie, Sunday Times, 16-2-2015 

10. März 2015

Braaien und Tanzen







Es ist Hochsommer, und es ist heiß. Da helfen nur ein paar kühle Black Label-Biere oder ein Savannah Dry Cider. Wer es noch ein bisschen heißer will, schaut zu, wie das Stück Steak oder Burenwurst, das er sich gerade an der Theke ausgesucht hat, im glühenden, riesigen Grillofen gegart wird. 











Braai heißt das auf südafrikanisch. Die Lust am gegrillten Fleisch verbindet alle, ob weiß, ob braun oder schwarz, ob Afrikaans, Englisch oder Xhosa sprechend.  Dazu gibt es Miliepap, ein fester Brei aus Maismehl. Köstlich!










Wir sind mit Vuyswa und ihrer Enkelin Nicky bei Mzoli im Township Gugulethu verabredet, im legendären Braairestaurant mit angeschlossener Fleischerei. Vuyiswas Sohn ist mit Mzolis Besitzer zur Schule gegangen. Ihr wollt wohl abtanzen, fragt er lachend, denn  braaiFleisch ist nicht alles bei Mzoli. 







Heute am Samstagnachmittag ist es dort brechend voll. Wir quetschen uns mit unseren einheimischen Freundinnen auf ein paar Plastikstühle in der Ecke und sehen der wogenden, meist jungen Menge beim Tanzen zu. Wie große Wellen geht der pulsende Rhythmus über die Tanzenden hinweg, und wir Hineingeschmeckten schunkeln etwas verschämt mit. Für ein paar Stunden gehören wir dazu, zum Leben im Township.   


8. März 2015

Die Hühnerwährung

In Deutschland ist die Zigarettenwährung der Tauschwirtschaft aus der Nachkriegszeit eine ferne Erinnerung. Wer hätte gedacht, dass etwas Ähnliches im Neuen Südafrika fröhliche Urständ feiert. Wer in der nördlichen Provinz Limpopo eine Regierungsausschreibung für einen Bauauftrag gewinnen möchte, braucht sich nur die Speisekarte von Kentucky Fried Chicken (KFC) kommen zu lassen und seinem zuständigen Regierungsbeamten ein Menu des internationalen Hähnchenbraters zu servieren. Der lässt den Bauunternehmer z.B.wissen, dass er Chicken Nuggets mit Pommes haben möchte und schon ist eine Tüte des Fast Food unterwegs. Nichts kann durchsuppen,denn der Boden der Tüte ist vorsorglich mit ein paar Tausend Rand-Scheinen ausgefüttert worden. Dies Verfahren ist so verbreitet, dass sich ein wahres Ranking entwickelt hat. Die Größe des Hühnchengerichts und die Ausfütterung mit Barem staffelt sich je nach dem Geldwert der erwiesenen Gunst. Die Standardgröße des Hühnerpäckchens Streetwise Two bietet z.B. Raum für 20.000 Rand (knapp 1.500 €) Bakschisch. 2011- 2012 soll 1 Milliarde Rand öffentlicher Gelder den Weg in private Taschen gefunden haben, in einem Land mit weiterhin schreiender Armut.


Während sich die sozialen Konflikte verschärfen, steckt sich die kleine herrschende Schicht von Politikern und Unternehmern das Geld gegenseitig in die Tasche. Südafrika, so ein deutscher Wirtschafts-korrespondent, droht 20 Jahre nach dem Ende der Apartheid zu einem Land zu werden, das nur für Reiche lebenswert ist. Und die sind inzwischen keineswegs mehr alle weiß.  

7. März 2015

Willkommen in der Villa Zille





Wer möchte nicht gerne einmal sehen, wie die Reichen und Mächtigen residieren. In Kapstadt hat man in diesen Sommermonaten jeden Samstagvormittag das Vergnügen. Helen Zille, die unkonventionelle und tüchtige Regierungschefin der Provinz Westkap und Vorsitzende der Oppositionspartei Democratic Alliance (DA) hat spontan den ausgedehnten Park ihres Regierungssitzes am Fuß des Tafelbergs für den wöchentlichen Erzeugermarkt geöffnet, als der an seinem bisherigen Platz nicht mehr bleiben konnte.  Nun tummeln wir Bürger und Zugereiste uns fröhlich bei meist strahlend blauem Himmel zwischen den Rosenrabatten und Palmen des Leeuwenhof im Stadtteil Gardens und verkosten hier einen Bauernkäse und dort ein paar frische Feigen, einen Dip mit selbstgezogenen Kräutern oder ein paar Austern bei der Oyster Lady frisch von der Westküste. Die Kinder dürfen im Schwimmbecken der Villa Zille baden, und die Erwachsenen lagern beim improvisierten Picknick auf dem regierungseigenen Rasen. Man trifft alte Freunde und schließt neue Bekanntschaften. Alles geht in höchst zivilisierter Entspanntheit und gegenseitiger Rücksichtname von statten. Hinterher muss kein Aufräumkommando den Park durchkämmen. Jeder packt brav sein Bündel ein und lässt alles so zurück wie er es vorgefunden hat. Das ist in Kapstadt übrigens bei allen Großveranstaltungen nicht anders. Ich habe kürzlich mit 5.000 anderen Captonians im Botanischen Garten Kirstenbosch der angesagten lokalen Band Freshly Ground zugehört, und auch hier konnte man hinterher nur ahnen, dass gerade ein Massenkonzert mit Picknick stattgefunden hatte.
Der Leeuwenhof ist alles andere als ein nüchterner Kanzlerbungalow. In diesem kapholländischen Herrenhaus mit seinem geschwungenen Giebel, der weißleuchtenden Fassade und der Säulenveranda haben schon die Handelsherren der Holländischen Ostasiengesellschaft vor 300 Jahren residiert. Die Bilderbuchkulisse des Parks mit der Flanke des Tafelbergs dahinter tut ihr Übriges, um den Samstagvormittag zu einem der schönsten sommerlichen Events von Kapstadt zu machen.


6. März 2015

Zurück in Südafrika


Image result for kaapse klopseVon Singapur nach Südafrika, das ist nicht nur ein großer Schritt auf der Landkarte, es ist auch eine andere Welt. Gerade feierte man unter Singapurs Chinesen das Neue Jahr, das Jahr der Ziege, mit Feuerwerk und roten Glücks- und Gabentütchen in jedermanns und -frau Hand. Hier in Kapstadt, wo ich jetzt einen Teil des Jahres lebe, zogen dagegen die Kaapsen Klopse  an "unserem" Neujahr Anfang Januar durch die Straßen. Sie trompeten, sangen und tanzten was das Zeug hielt in ihren knallbunten Satinanzügen und schwenkten die Strohhüte und Sonnenschirme.

Vorbei der Tango in den Straßen von Buenos Aires, das Menschengewimmel in der Löwenstadt Singapura. Vorhang auf für Besonderes, Merkwürdiges und auch manchmal Kritisches vom Kap der Guten Hoffnung.