So nah und doch so fern, sagen Argentinier, wenn man einander kaum wahrnimmt, obwohl man gar nicht fern ist. Sich selbst und ihre Literatur sehen sie gerne im Zentrum und vor allem nahe an Europa. Sie ahnen nicht, dass ein anderer, der sich ebenso im Zentrum wähnt, ihre und andere lateinamerikanische Literaturen kurzerhand an die Peripherie verweist.
Bei einem der vielen fliegenden Buchhändler, die Buenos Aires’ Straßen säumen, fiel mir die englische Ausgabe von Orhan Pamuks Other Colours in die Hand. Diese ärgerliche Buchbindersynthese versammelt kurze Gelegenheitstexte, Ansprachen, Vorwörter, die ihren Anlass mit rhetorischen Verbeugungen vor dem jeweiligen Publikum und unbeholfenen Einschüben nach der Art Wie ich oben schon ausgeführt habe nicht verleugnen können. Hier huldigt Pamuk einem Eurozentrismus, den sich wohl heute nur noch ein Autor so unverblümt und mit so schulmeisterlichem Zeigefingergestus erlauben kann, der selbst vom Rand Europas kommt und sich nichts glühender zu wünschen scheint, als dazugehören.
So fertigt Pamuk seinen Kollegen, den Peruaner Mario Vargas Llosa, auf ein paar Seiten unter dem Etikett Dritte Welt-Literatur ab und wundert sich, warum ein anderes Entwicklungsland – Argentinien – einen weltweit beachteten Schriftsteller wie Jorge Luis Borges hervorbringen konnte. Das Gerangel um den Platz in einem wie auch immer definierten Zentrum kann geradezu komische Formen annehmen, käme es bei Pamuk nicht so überheblich und humorlos daher.
18. September 2009
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