Nachdem meine Visumsaga im Mai 2016 schließlich zu einem
guten Ende kam, melde ich mich nun zurück aus Südafrika. Es ist die Zeit der
großen Ferien, die hier in unseren Winter fallen und der Schulabschlüsse.
Südafrikanische Abiturienten haben oft andere Sorgen als deutsche. Viele müssen
kämpfen, bis sie die Matrik, das hiesige Abitur, und damit die
Studienberechtigung, geschafft haben.
Mit 13 wurde Adelaide Willemse ‚Mutter‘ für ihre beiden
jüngeren Brüder. Ihre Mutter hatte die Familie verlassen, und ihr
Fernfahrer-Vater war berufsbedingt selten zuhause. „Ich musste die Wäsche
waschen“, sagt sie. „Könnt ihr euch vorstellen, wie viel Wäsche zwei kleine Jungen
an einem Tag produzieren?“ Sie musste dafür sorgen, dass alle morgens pünktlich
in die Schule kamen. ‚Manchmal habe ich mich in den Schlaf geweint.‘ Mit der
zweiten Frau ihres Vaters wurde es zuhause nicht besser. Im Abiturjahr wurde Adelaide deshalb in das Internat der Schule
aufgenommen. Am Wochenende packt sie auf einer Farm Aprikosen, um Geld für ihr
erstes Jahr nach der Schule zu verdienen, und später einmal ihre Brüder zu sich
nehmen zu können. Mit der Matrik in der Tasche will sie nun an einer Fachhochschule
Sozialarbeit studieren.
Adelaide
Willemse (18) im Schuleingang: Die Burger, 6.1.2017
Ruans Eltern sind Farmer. Sie mussten nach einem Brand, wie er
im sommertrockenen Kapland so häufig ist, ihr ganzes Vieh verkaufen, und so
konnte er keine Unterstützung von zuhause erwarten. Das hieß neben der Schule
jobben, um einen Computer kaufen zu können, den er aber nur bei Freunden
benutzen kann, weil es zuhause nicht immer Strom gibt. Das Studienangebot für Ingenieurwesen an der Universität Stellenbosch kann er mangels Stipendium nicht annehmen. So macht er nun erst eine Lehre und
hofft, daran ein Fernstudium anschließen zu können.
Ruan Brand
(18)im Schulgarten: Die Burger, 6.1.2017
Malcolm Kasper zeichnet sich seine virtuellen Sportschuhe, denn
richtige sind undenkbar. Seine Mutter arbeitet hart, aber da sind noch
Geschwister, und das Geld reicht nicht hin und nicht her. Seinen Vater kennt er
nicht. Malcolm ist bei seiner Großmutter im ländlichen, wüstenhaften Nordkap
aufgewachsen und nach deren Tod bei einer Tante. Die Tante wohnt im Weinland. So
musste er die Schule wechseln und wurde zuerst als Landpomeranze verlacht, aber
er hat sich durchgebissen. Nachdem er für sein Examen einen Flurplan der Schule
zeichnen musste, ist er sich sicher: „ Ich will Architekt werden. Das ist mein
Traum“.
Malcolm Kasper
(17) mit einem Kricketschläger für seinen Lieblingssport: Die Burger, 6.1.2017
Mit fünf Jahren ist Simone Jafta ins Kinderheim gekommen.
Ihre Alkoholiker-Eltern konnten sie nicht versorgen. In der Schule haben die
meisten Kinder nicht gewusst, dass sie aus dem Heim kommt. Selbst ihrer besten
Freundin hat sie es erst nach Jahren erzählt. In den Schulferien, die sie bei ihrem
Großonkel verbringt, macht sie gerade mit den 300 Rand, die sie bei einem
Schulwettbewerb gewonnen hat, ihren Führerschein. Nach den Ferien wartet die
Fachhochschule und ein Lehrerstudium auf sie.
Simone Jafta
(19) im Garten des Kinderheims: Die Burger, 6.1.2017
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