Als ich heute wie gewohnt meine argentinischen Zeitungen am Kiosk gegenüber kaufen wollte, war er geschlossen. Ein Plakat klebte an der Tür, das besagte, heute sei der Tag der „ Würde und des Kampfes“ und alle Kioske blieben geschlossen, unterzeichnet von der Gewerkschaft der Zeitungsverkäufer. Auf dem Weg traf ich die Portiersfrau meines Hauses. Sie wusste mehr. Die Gewerkschaft habe die Auslieferung der beiden Zeitungen La Nación und Clarín – der bedeutendsten des Landes – blockiert. Gemeint war die allmächtige Transportarbeitergewerkschaft unter Hugo Moyano und Sohn, die in allen piquetes, den oft in Gewalt ausartenden Aufmärschen, ihre Finger hat und in enger Abstimmung mit der peronistischen Regierung Cristina Kirchners handelt.
Seit langem tobt der Kampf zwischen der nicht regierungskonformen Presse und der Präsidentin, die bei jeder Gelegenheit gegen die Presse vom Leder zieht, ganz nach dem Muster ihres autokratischen Kollegen Hugo Chavez, dem Präsidenten von Venezuela. Die Presse ist einfach an Allem Schuld. Dieses Wüten einer Regierung, die auf allen Feldern fern jeder Kompromissbereitschaft handelt, eskalierte in den letzten Wochen gefährlich. Inzwischen muss auch ein nüchterner Betrachter die Pressefreiheit in Argentinien als ernsthaft bedroht ansehen. Vor einigen Wochen ist mit der peronistischen Mehrheit im Parlament ein Gesetz verabschiedet worden, das der Regierung unter anderem erlaubt, Medienlizenzen nur für ein Jahr zu erteilen und dann durch ein Kontrollgremium, in dem die Regierung die Mehrheit hat, überprüfen zu lassen, was der Willkür Tür und Tor öffnet. Begleitet von neuerlichen Ausfällen gegen die Presse bereitet die Präsidentin, unterstützt von Ihrem Ehemann, dem Expräsidenten, der weiter mitregiert, nun einen Erlass vor, der den Verkauf von Zeitungen drastisch beschränkt. Nur Kioske sollen das noch dürfen, nicht etwa Tankstellen und andere Läden. Da die Kioske von Moyano und seinen Leuten kontrolliert werden, siehe oben, schließt sich der Kreis. Alle neuen Gesetze und Verordnungen werden mit größter Eile durchgepeitscht, um noch vor Mitte Dezember, wenn sich die Mehrheitsverhältnisse im Parlament, nach einer Wahl im Juni, ändern werden, vollendete Tatsachen zu schaffen. Derweil ist die Popularität der Präsidentin auf 23% abgesunken. Man vergleiche mit den 70-80 %, die umsichtige Regierungschefs der Nachbarländer wie Brasilien und Chile errreichen.
Argentinien will sich, wenn es 2010 Gastland der Frankfurter Buchmesse ist, als Heimatland der Literatur und des Lesers präsentieren. Wenn die Pressfreiheit weiter so eingeschränkt wird, dürfte dieses Bild erhebliche Kratzer erleiden. Die Messeverantwortlichen sollten schon jetzt genau hinschauen. Argentinien nimmt den Frankfurter Auftritt sehr wichtig, zumal die Popularität des Landes, das sich mit seiner intransigenten Politik, z.B. in der Frage der Auslandsschulden, international immer mehr isoliert, ständig sinkt. Die Vorbereitung des Messeauftritts ist in Buenos Aires dementsprechend personell hoch aufgehängt. Ein kritisches Wort von deutscher Seite würde vielleicht Gehör finden.
7. November 2009
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