6. Dezember 2010

Hochhausdschungel im Tropenparadies

Affen turnen in den Bäumen, Vögel flöten, und zwischen Lianen schimmert grünlich ein See. Wären nicht die morgendlichen Jogger und die diskreten Schildchen an Bäumen und verschlungenen Rankpflanzen, ich wähnte mich mitten im Tropenschungel Südostasiens. Doch ein paar Wegbiegungen weiter auf dem Wanderpfad im Urwaldpark und ein anderer Dschungel ragt im Hintergrund auf, die Hochhauskulisse von Singapur. Meine amerikanischen Expat-Freunde kann ich mit dem Blick vom Balkon meiner Wohnung im 19. Stock beeindrucken. Du siehst ja auf die Nature Reserve! Sie sind begeistert. Tatsächlich entfaltet sich vor unseren Augen ein Bild wie es für diesen Stadtstaat am südchinesischen Meer so typisch ist. Vorne eine große Einkaufsplaza, drum herum in üppiges Grün eingebettete Villen, dahinter das dunkelgrüne Band des Naturparks, das aus dieser Höhe wie ein riesiges Broccolifeld aussieht und am Horizont die Wolkenkratzer, höher, kühner, gleißender. Abends glitzern die Lichter der Stadt über dem dunklen Band des Urwalds.

Singapur hört nicht auf zu bauen. Doch es bleibt grün. Eine umsichtige Bauverwaltung sorgt dafür, dass nicht alles regellos zugebaut wird. Die Fußgängerbrücken über die Hauptverkehrstraßen sind mit Bougainvillea bepflanzt, auf den Mittelstreifen wachsen Palmen und blühende Sträucher. Selbst die HDBs, die Hunderte von staatlich geförderten Hochhaussiedlungen, in denen die Mehrzahl der Singapuris wohnt, sind in Grünanlagen eingebettet. So bewahrt sich diese Enklave, die kaum in die Breite, nur in die Höhe wachsen kann und wie der Punkt unter dem Ausrufezeichen der malaiischen Halbinsel wirkt, ein menschliches Antlitz. Dazu trägt auch die ethnische Mischung bei. Chinesinnen im westlichen Büro-Outfit, das i-Phone in der Hand, sitzen in Bus und U-Bahn neben verschleierten, muslimischen Malaiinnen, die ebenso gebannt auf das Display ihres Mobiltelefons starren und neben Inderinnen im wunderschönen, goldbestickten Sari.

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