4. September 2010

Die heilige Cristina von den Schlachthöfen

Etwas ist faul im Land der Gauchos und des asado. Die Landwirtschaftsbeilagen der großen Zeitungen überbieten sich mit alarmierenden Statistiken. Das Rinderschlachten geht zurück und der Export von Rindfleisch noch mehr! Die Rinderverschläge in den Schlachthöfen von Liniers, einem südlichen Stadtteil von Buenos Aires, werden kaum noch voll. Traurig hängen die verbliebenen Rinderhälften dem Zeitungsleser ins morgendliche Bild.


Ganze Fleischverarbeitungsfirmen müssen schließen. Noch vor zwei Jahren hatte sich Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner hübsch in weiß und lächelnd neben ein paar Rinderseiten fotografieren lasssen. Der brasilianische Konzern JBS, einer der größten Verarbeiter von Rindfleisch weltweit, hatte einen seiner argentinischen Standorte wiedereröffnet. Nun macht er der heiligen Cristina von den Schlachthöfen einen Strich durch die Rechnung. Er will schließen oder verkaufen, weil sich das Geschäft in Argentinien nicht mehr lohne.


Woran liegt´s? Auf dem Inlandmarkt mögen veränderte Eßgewohnheiten eine Rolle spielen, die selbst in Argentinien die Fleischberge, die der Durchschnittsargentinier täglich verzehrt, schrumpfen lassen, obwohl sie im Vergleich zu anderen Ländern immer noch beachtlich sind. Für die Einbrüche beim Export machen die Rinderzüchter dagegen die Regierung verantwortlich. Denn die hält von Marktwirtschaft nicht allzu viel, um so mehr aber von Kontrolle. Der zuständige Staatsekertär, Guillermo Moreno, ist denn auch der bestgehasste Mann unter Bauern und Fleischfirmen. Er kommt schon mal mit Boxhandschuhen zur Sitzung oder legt einen Revolver auf den Tisch, um seinen Gesprächspartnern mit dieser ebenso schlichten wie kruden Symbolik klarzumachen, wer das Sagen hat. Und er diktiert die Preise. Auch die variablen Ausfuhrabgaben, die sich die Regierung vor zwei Jahren ausgedacht hat, tragen nicht zur Besserung der Lage bei. Planungssicherheit ist in Argentinien ohnehin ein Fremdwort.

Selbst der schlichte Bürger merkt es schon. Eine Freundin, deren Sohn in Deutschland lebt, erzählte bekümmert, ihr Sohn bekäme sein gewohntes argentinisches Steak nicht mehr. Das komme jetzt aus Brasilien oder Australien. Also aufgepasst und nachgefragt, wenn man beim deutschen Schlachter zartes Rindfleisch kauft. Das gute Stück kommt doch aus Argentinien, oder?


Fotos: La Nación, 31.8.2010 und 4.8.2010

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